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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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geschrieben worden waren, und auf den Bestsellerlisten fehlte sein Name. Darunter litt er, das machte ihn traurig, raubte ihm die Kraft und ließ ihn mitunter auch an Selbstmord denken. Auf die Frustrationen folgten die Aggressionen, und der Mann hatte dagegen anzukämpfen, die Werke seiner Konkurrenten und Feinde nicht herunterzureißen, zu zerfetzen oder gar zu verbrennen. Das alles fraß ihn innerlich auf, und war diese Phase überwunden, kam die marternde Frage, ob irgendwo einer seiner Romane zu finden war. Sah er wirklich einmal ein Exemplar, konnte er sich nur bedingt darüber freuen, da das ja nichts anderes hieß, als dass es noch niemand gekauft hatte, und womöglich ging es als Remittendenexemplar an den Verlag zurück. War nirgends ein Roman von ihm zu entdecken, konnte ihn bereits jemand gekauft haben, es konnte jedoch auch bedeuten, dass der Buchhändler gar keinen geordert hatte.
    ›Posttraumatische Verbitterungsstörung‹ und ›narzisstische Unersättlichkeit‹ diagnostizierte Narsdorf und hätte dem Guten am liebsten gesagt: Ich besorge Ihnen schnell mal den Nobelpreis für Literatur, dann sind Sie mit einem Schlag geheilt. Ging leider nicht, er hatte sich einfühlsam zu zeigen und nach den tieferen Gründen zu suchen. Das war allerdings schwer, denn wie sagte er immer: »Die Tiefe der menschlichen Seele ist nur mit der des Universums zu vergleichen.«
    »Wir wollten uns ja heute noch einmal mit Ihrem Verhältnis zu Ihrer Mutter beschäftigen«, begann Narsdorf nach einem Blick auf seine Notizen. »Sie war immer verbietend und fordernd und hat nie ein Lob für Sie übrig gehabt?«
    »Ja … Hatte ich zum Beispiel in Mathematik mit Müh und Not eine Vier geschafft und war stolz auf mich, kam sofort die Frage, warum ich keine Zwei geschafft habe, wie mein Freund Carsten zum Beispiel. Und als ich dann meine ersten Kurzgeschichten geschrieben habe, da hat sie mich angeschnauzt, ich solle lieber meine Schularbeiten machen …«
    Narsdorf musste an Henning Hanke denken. Auch den hatten alle verspottet, als er bekannt hatte, Schriftsteller werden zu wollen. Sein Vater hatte ausgerufen, nun fehle nur noch, dass er ihnen erklären würde, er sei schwul. Damals hatte sich Henning Hanke eng an Völlenklee angeschlossen …
    »Kannten Sie eigentlich Henning Hanke?«, fragte Narsdorf.
    »Nein, auch nicht vom Namen her. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem er … Warum soll ich das zur Kenntnis nehmen, was andere produzieren – die interessieren sich ja auch nicht für das, was ich schreibe.«
    Narsdorf nickte. »Okay. Wir müssten in unseren nächsten Sitzungen dahin kommen, dass Sie sich als Teil des Ganzen fühlen, denn wie hieß es damals, als die Transaktionsanalyse en vogue war: Ich bin okay, du bist okay, wir sind okay. Nur das sei der Weg zum Glück. Fangen Sie einmal an, die Romane derer zu lesen, die im Augenblick hoch gehandelt werden, und versuchen Sie, dabei literarischen Genuss zu verspüren. Machen wir gleich Nägel mit Köpfen: Lesen Sie ›Berliner Blut‹ von Henning Hanke und bewundern Sie ihn posthum.«
    Narsdorf, der sich das Buch nach der Beerdigung Hankes gekauft hatte, nahm es vom Regal und drückte es dem Schriftsteller in die Hand. Der musste zwar schlucken, schwor jedoch, seine Hausaufgaben zu machen.
    »Ich mag zwar keine Kriminalromane, aber …«
    »Da geht es auch um eine Erpressung …« Narsdorf wollte es auf einen Überrumpelungsversuch ankommen lassen. »Können Sie sich vorstellen, wegen irgendetwas erpresst zu werden?«
    Der Schriftsteller lachte. »Nur, wenn mich einer beim Plagiat erwischt. Aber leider ist bis jetzt alles, was ich in den Computer getippt habe, auf meinem eigenen Mist gewachsen.«
    »Und dass Sie Patient bei mir sind?« Narsdorf erschrak, weil er glaubte, sich zu weit aus der Deckung gewagt zu haben.
    Doch der Schriftsteller lachte nur. »Wen interessiert das schon?«
    Damit war er aus der Tür, und Narsdorf trat ans Fenster, um sich kurz zu erholen. Vielleicht sollte er sich hinsetzen und eine Liste von Leuten und Berufsgruppen anlegen, die viel zu verlieren hatten, wenn herauskam, dass sie Störungen aufwiesen, die im DSM, dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, verzeichnet waren. Oder ehrbare Mitglieder aller möglichen Eliten waren und es dann so trieben wie Max Mosley, der Formel-1-Boss, der im März 2008 mit Prostituierten in Nazi-Uniformen Sexorgien gefeiert hatte.
    Vanessa kam herein und meldete, dass der nächste Patient gerade

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