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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Selbstironie, zu dem er fähig war.
    Zum Frühstück briet er sich zwei Spiegeleier. Mit viel Speck und very british. Das erinnerte ihn an den letzten Urlaub. Er war kein großer Freund der NLP, der Neuro-Linguistischen Programmierung, doch das anchoring war keine schlechte Sache. Man ankerte mit seiner Seele an einer schönen Stelle und vermied damit negative Gefühle und unerwünschtes Verhalten.
    Während er wartete, bis seine Kaffeemaschine ihre
    Pflicht erfüllt hatte, beschimpfte er sich selbst.
     
    Alle Männer in deinem Alter haben eine Frau oder Lebensgefährtin, nur du nicht. Aber wer nimmt dich Arschloch schon?
    Melde dich endlich beim Naturkundemuseum, die brauchen dich dringend für die Ausstellung ›Die Neandertaler sind zurück‹.
    Geschieht dir recht, dass dich einer erpresst – machst du wenigstens deine Praxis zu und bewahrst deine Patienten vor dem Schlimmsten.
     
    Als alles raus war, ging es ihm besser. Er schlug die Zeitung auf, für die er nur Zeit zum Lesen während des Frühstücks hatte. Auf der Berliner Seite ging es immer noch um den mysteriösen Tod von Bernhard Jöllenbeck. Unfall, Mord oder Selbstmord – alles schien möglich. Die große Frage war, ob der Erpresser bereits Kontakt mit Jöllenbeck aufgenommen hatte. Wenn ja, war ein Suizid wahrscheinlich, denn nichts regte die Öffentlichkeit – falls sie es erfuhr – mehr auf als das, was der Anwalt und Politiker zu verbergen hatte: die Liebe zu Knaben. »Warum heißen Päderasten Päderasten?«, hatte Jöllenbeck ihn gefragt. »Weil da alle ausrasten, wenn sie davon hören.« Die Therapie hatte gerade erst begonnen und Jöllenbeck an seine Zukunft geglaubt.
    Narsdorf war sich von Stunde zu Stunde gewisser, dass es Völlenklee war, der ihn erpresste. Und wenn, dann war die Frage, ob Völlenklee von seinem Vorhaben abließ, wenn Jöllenbeck schon von ihm erpresst worden war und sich deswegen vor die U-Bahn geworfen hatte. So einfach mit Ja und Nein ließ sich das nicht beantworten. Alles war eine Sache der Wahrscheinlichkeit. Narsdorf glaubte nur zu maximal zehn Prozent daran, dass Völlenklee wirklich aufhörte, denn was er da machte, glich irgendwie einem Amoklauf und entsprang einem diffusen Hass auf alles und alle, besonders auf ihn.
    Wie war Völlenklee zu stoppen? Reichte es, ihm die Summen zu zahlen, die er forderte, fordern würde? Oder …? Dieses Oder erschreckte Narsdorf zutiefst, denn es hieß letztendlich, dass man Völlenklee ermorden und sein Beweismaterial vernichten musste. Aber wer sollte das tun? Er selbst? Ein berufsmäßiger Killer aus den Ländern östlich von Polen? Eine Interessengemeinschaft der von Völlenklee geschädigten Personen? Da hatten sie nur eine Chance, wenn es bald geschah. Doch Orlando und Mannhardt wussten ja schon davon,
    dass er erpresst wurde, und bei einem Mord geriet er sofort ins Raster der Fahnder.
    Vielleicht reichte es, Völlenklee nur zu drohen und ihm einen Schuss vor den Bug zu setzen: Hörst du nicht auf, eliminieren wir dich! Narsdorf hatte bereits eine Idee, wer das besorgen konnte: Maik Bulkowski, der Kugelstoßer.
    Narsdorf machte sich auf den Weg in seine Praxis. Von der Blankenburg- zur Schloßstraße war es nur ein kurzes Stück. Lange hatte er vorgehabt, eine Villenetage in einer der noblen Ortsteile Dahlem, Grunewald oder Schlachtensee zu mieten, jedoch war er dahintergekommen, dass die meisten seiner Patienten alles daran setzten, nicht gesehen zu werden, wenn sie in seine Sprechstunde kamen. Es war so ähnlich wie bei einem Bordellbesuch. So war er in ein lebhaftes Geschäfts- und Kaufhaus gegangen, wo es unmöglich war, sonderlich aufzufallen. Und traf man als Patient wirklich auf einen verfeindeten Kollegen, kam man gerade vom Shoppen.
    Es war nicht eben originell, was er dachte, aber schon sein Vater war jeden Tag mit diesem Spruch zur Arbeit gegangen: ›Dann mal auf in den Kampf!‹
     
    *
     
    Narsdorfs erster Patient an diesem Morgen war ein Schriftsteller, von dem er bis zu dessen Erscheinen noch nie etwas gehört, geschweige denn gelesen hatte. Der Mann begann zu reden … Betrat er eine der großen Buchhandlungen, dann war das für ihn eine derartige Belastung, dass sich sein Blutdruck der Marke von 200 zu 115 näherte und er das Gefühl hatte, im nächsten Augenblick zu platzen. Dieser Ausnahmezustand hatte mehrere Ursachen. Einmal musste er mit seinen Frustrationen fertig werden. Da standen Zehntausende von Büchern in den Regalen, die alle nicht von ihm

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