Promijagd
richtiggehend in Rage. »Und in der Tat: Zumindest Mägdesprung ginge es heute besser, wenn er nicht zu ihm gegangen wäre, und vielen anderen womöglich auch.«
»Das ist wie mit der Beichte«, sagte Orlando. »Man liefert sich einem anderen aus.«
Mannhardt lachte. »Was habe ich mal in der Fortbildung gelernt, Niklas Luhmann: ›Vertrauen ist ein Mittel zur Reduktion von Komplexität‹, und ohne die kann ein soziales System nicht existieren.«
»Gut, ich werde noch einmal mit Narsdorf reden, dass er uns wenigstens die Namen derer gibt, die sich für eine Erpressung eignen.«
Mannhardt nickte. »Ja, gute Idee. An Oma Krause, die immer zu Narsdorf kommt, weil sie sich ihren Hausschlüssel ans Holzbein hängen will und deshalb einen Nagel einschlägt, aber gar kein Holzbein hat, wird ja Völlenklee kaum ein Interesse haben.« Er stockte. »Da kommt er ja! Wenn man vom Teufel spricht.«
Sie waren überrascht, dass Völlenklee nicht zur U-Bahn ging, sondern die Kette seines Fahrrades aufschloss und davonradelte. Auf dem Bürgersteig natürlich.
»Normen sind dazu da, um gegen sie zu verstoßen«, murmelte Mannhardt.
»Freu dich doch, dass er überhaupt aus seinem Bau gekommen ist«, sagte Orlando.
Sie folgten dem Erpresser in gehörigem Abstand, diesmal im Auto. Völlenklee bog rechts in die breite Grimmstraße ein und fuhr nordwärts in Richtung Admiralsbrücke. Dort angekommen, bog er abermals rechts ab. Hier am Planufer waren die Gründerzeithäuser so gut gepflegt, dass auch Menschen der höheren Stände gern hier wohnten. Vor dem Haus mit der Nummer 92 hielt Völlenklee, stieg vom Rad und musterte das Klingelklavier. Als er den richtigen Knopf gefunden hatte, drückte er und lauschte.
Mannhardt und Orlando rollten so langsam vorbei, wie es irgend ging, ohne aufzufallen und von nachfolgenden Fahrzeugen angehupt zu werden.
Sie bekamen noch mit, dass Völlenklee ein zweites Mal auf den Klingelknopf drückte und sich dann, als erneut nichts passierte, mit einem lautlosen Fluch wieder auf sein Fahrrad schwang. Jetzt fuhren sie vor ihm her Richtung Kottbusser Brücke. Links von ihnen schlängelte sich in sanften Bögen der Landwehrkanal durch Kreuzberg, gegenüber am Fraenkelufer lag die Synagoge, von einem Polizisten bewacht.
»Sollen wir Völlenklee hinterher oder herausfinden, bei wem er geklingelt hat?«, fragte Orlando, der am Steuer saß.
»Sehen, wo er geklingelt hat.«
So drehten sie eine Ehrenrunde um den Landwehrkanal, während Völlenklee rechts in den Kottbusser Damm einbog und sich Richtung Hermannplatz entfernte.
Sie brauchten gute zehn Minuten, bis sie einen Parkplatz gefunden und zu Fuß an dem vierstöckigen Mietshaus angekommen waren, an dem Völlenklee geklingelt hatte.
»Schade«, sagte Mannhardt. »Wenn er schweißige Finger gehabt hat, wird nun alles getrocknet sein.«
»Meiner Ansicht nach hat er am linken Klingelbrett irgendwo in der Mitte auf den Knopf gedrückt.« Orlando war sich da ziemlich sicher. »Guck mal, ist da ein Basketballer dabei?«
Mannhardt überflog die Namen. »Alba hat eine tiefe Bank, aber …«
»Eine was?«, wollte sein Enkel wissen.
»Eine Auswechselbank, die auch am hinteren Ende noch mit guten Leuten besetzt ist«, erklärte ihm Mannhardt. »Die Starting five kann nicht die ganze Spielzeit über auf dem Parkett sein, auch die müssen mal verschnaufen können. Und da werden die Spiele dann oft von den Vereinen gewonnen, die die besten Einwechselspieler haben.«
»Danke«, sagte Orlando. »Aber kein Basketballer dabei …?«
»Nein, alles Namen, die ich noch nie gehört habe.«
Orlando überlegte einen Augenblick. »Na, dann hilft alles nichts. Ich drücke mal auf die Klingelknöpfe in dem Bereich, in dem auch Völlenklee gedrückt hat, und sage, dass wir vom InfoRadio kommen und ein Interview mit dem Basketballer machen wollen, der hier wohnt.«
Das tat er auch. Bei den ersten beiden Versuchen blieb alles still, beim dritten Klingeln hörten sie ein böses »Keine Werbung!« Danach drückte Orlando auf den Knopf neben dem Schildchen mit dem Namen Fröttstädt.
»Ja, bitte, wer ist dort?«, kam es quakend aus der Gegensprechanlage.
»InfoRadio wegen eines Interviews mit Herrn Fröttstädt.«
»Weswegen denn?«
»Weil er gestern beim Spiel Alba gegen Oldenburg so viele Freiwürfe nicht verwandelt hat.«
»Das muss ein Irrtum sein: Herr Fröttstädt ist Pilot und kein Basketballspieler.«
»Treffer!«, murmelte Mannhardt.
13
Die Firma, in
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