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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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Rechner zu reparieren. Auf dem Weg zur U-Bahn verspürte er den Impuls, das Grab Henning Hankes zu besuchen, dabei wusste er nicht einmal, was ihn plötzlich auf einen Friedhof trieb. Vielleicht war es der Gedanke, dass sein Duell mit Hagen Narsdorf durchaus auch tödlich enden konnte. Es war jedoch auch möglich, dass er beim Stichwort Müllerstraße automatisch an den Döner-Imbiss denken musste, in dem Henning erschossen worden war. Den Täter hatte man noch immer nicht ermittelt. Auf dem Weg zu Hennings Grabstelle ging ihm immer wieder durch den Kopf, was der über ihn gedacht hatte, ausgehend von Hermann Brochs Roman ›Die Schlafwandler‹:
    ›… du bist wie einer aus Brochs Romanen: Du leugnest irgendwie die Realität, du taumelst orientierungslos von einem Wertsystem ins andere, du wirst immer zynischer und irgendwann nur noch auf kommerziellen Gewinn aus sein …‹
     
    Nein, das stimmte nicht, ebenso wichtig wie das Geld war bei seinen Erpressungen die Rache an Hagen Narsdorf. Am Grab angekommen, sprach er mit dem Klassenkameraden.
    »Na, Henning, kannst du aus meinem Stoff einen schönen Krimi machen?«
    »Nein, ohne zumindest einen Mord lohnt es sich nicht, so viel Aufhebens zu machen.«
    »Wir haben doch diesen Jöllenbeck.«
    »Der geht nicht auf euer Konto.«
    »Ich habe aber nicht die Absicht, einen Mord zu begehen und den Rest meines Lebens im Knast zu verbringen.«
    »Dann lass dich selbst umbringen.«
    »Hör auf!«
    »Wer mit dem Feuer spielt …«
    »Vielleicht trifft es auch Corinna.«
    Völlenklee wandte sich um und strebte zum Ausgang. Dialoge mit Henning Hanke hatten ihm auch früher nichts gebracht. Alles leeres Stroh. Was war denn volles Stroh? Das gab es nicht. Der Homo sapiens war ein Irrtum des Kosmos. Wozu das Gehirn, wenn es Sätze produzierte wie die, die er in einer Zeitung las, die jemand auf dem U-Bahnhof Seestraße vergessen hatte: ›In der Bearbeitung der transkribierten Gespräche verzichtet Schmit auf den üblichen Wandel von Wort- in Schriftsprache. Verdichtung und Verschiebung, die sonst selbstverständlich im Redigat von Interviews sind, fehlen ebenso wie vertraute Worthülsen.‹
    Ein Zug der U6 rauschte in den Bahnhof. Er stieg ein, um bis zum Mehringdamm zu fahren und dort in die U7 umzusteigen. In der Mitte des Wagens gab es noch einen freien Platz, und er setzte sich, um die Augen zu schließen und zu dösen. Zwar war er dort arg eingeklemmt zwischen einer stämmigen deutschen Domina, deren Schweiß von keinem Deo zu bändigen war, und einem arabischen Jüngling, der so breitbeinig dasaß, als würde er sich die Prostata auf einem gynäkologischen Stuhl untersuchen lassen. Aber es galt weiterhin die alte Berliner Devise: Besser schlecht gesessen als gut gestanden. Gute Stehplätze gab es im Berufsverkehr nur wenige. Hatte man sich neben der Tür postiert, wurde man bei jedem Halt des Zuges weggeschwemmt, entweder ins Wageninnere oder auf den Bahnsteig, hing man dort an einer Haltestange, bekam man ständig die Ellenbogen oder Rucksäcke der anderen ins Kreuz.
    Völlenklee war so müde, dass er kurz einnickte. Als er wieder hochschreckte, hatten sie schon den Bahnhof Friedrichstraße erreicht, und weil viele Fahrgäste ausstiegen, hatte er für einen Augenblick freie Sicht durch den ganzen Wagen. Er stutzte, da er den älteren, grauhaarigen Herrn, der wie gebannt auf den Bildschirm starrte, der unterm Wagendach hing, doch neulich schon einmal gesehen hatte – und das auch in der U-Bahn –, als er Fröttstädt in Schönefeld gesucht hatte und anschließend zu Millie Malornys Autogrammstunde in die Gropius-Passagen gefahren war. Damals hatte er ebenfalls einen jungen Mann an seiner Seite gehabt, genau wie jetzt. War alles nur Zufall oder waren die beiden auf ihn angesetzt worden, von wem auch immer?
    Völlenklee beschloss, bereits am Halleschen Tor auszusteigen, um zu sehen, ob die beiden ihm folgten. Während der Zug in den Bahnhof einfuhr, stand er ganz langsam auf und schlängelte sich zur Tür. Es war gar nicht leicht, sich nicht umzudrehen und nach den beiden Ausschau zu halten. Erst auf dem Bahnsteig wandte er sich um und tat so, als würde er nach dem richtigen Ausgang suchen. Nein, die beiden blieben im Zug und fuhren weiter Richtung Alt-Mariendorf. Hatte er sich demzufolge geirrt.
    »Ich glaube,ich leide langsam unter Verfolgungswahn«, sagte er zu Corinna, während sie zusammen Abendbrot aßen und er von seinem Erlebnis berichtete.
    »Kann doch sein, dass

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