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Promijagd

Promijagd

Titel: Promijagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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sondern auch ein zweiter Vater zu sein.
    »Johannes, dein Winkel ist zu steil – und bis zur Sonne hoch kommst du sowieso nicht. Bei deiner Größe dürfen es nicht mehr als 40 Grad zur Horizontalen sein, sonst verschenkst du an Weite.«
    »Rico, deine Angleittechnik … Gott! Der Bewegungsablauf muss flüssiger werden, das ist mir alles zu abgehackt. Nächste Woche gehst du eine Stunde in den Ballettsaal.«
    »Kevin, du bist hier nicht beim Diskuswerfen! Wenn du es unbedingt mit der Drehstoßtechnik versuchen willst, warte lieber, bis du ein bisschen schwerer geworden bist.«
    Er hoffte nichts sehnsüchtiger, als dass in seiner Trainingsgruppe einer dabei war, der einmal die 20-Meter-Marke knackte. Der Weltrekord von Randy Barnes aus den USA, aufgestellt im Mai 1990, lag zwar bei 23,12 Meter, jedoch heutzutage, wo die Dopingkontrollen schärfer waren, hatte man bereits Chancen auf den Weltmeistertitel, wenn man über 22 Meter kam.
    »So, Jungs, wir entspannen uns jetzt ein bisschen und werfen uns die Kugel zu wie einen Ball. Erst wenn ihr das Gefühl habt, dass eure Kugel nicht schwerer ist als ein Tennisball, habt ihr die richtige Einstellung zu ihr. Und ihr müsst sie lieben, wenn sie weit fliegen soll. Los, küsst sie, aber mit Leidenschaft bitte!«
    Zur Erholung schickte er sie in den Film- und Videoraum, wo er ihnen wieder und wieder ihre Vorbilder zeigte: Parry O’Brien aus den USA, der zehnmal Weltrekord gestoßen und die moderne Technik erfunden hatte, in der man in gebeugter Haltung mit dem Rücken zur Stoßrichtung begann. Anschließend die Heroen der DDR: Udo Beyer und Ulf Timmermann, sowie den Schweizer Werner Günthör und Alexander Baryschnikow aus der Sowjetunion, der die Drehstoßtechnik erfunden hatte.
    Während dieser Übungseinheiten war er so sehr abgelenkt, dass er nicht ein einziges Mal an sein Elend dachte, jetzt aber, als er seine Jungens in den Ruheraum schickte, kamen die bösen Gedanken mit Macht zurück: Glück und Glas, wie leicht bricht das. Wahrscheinlich kam alles auf einmal: Seine Dopingsünden wurden bekannt, er verlor seinen Trainerjob und die Krebszellen vermehrten sich so explosionsartig in seinem Körper, dass weder Operationen noch eine Chemo halfen.
    Möglicherweise ließe sich alles noch aufhalten, wenn er diesem Völlenklee einen Schuss vor den Bug setzte. Narsdorf hatte ihm gesagt, wo dieses Arschloch arbeitete, und aus diesem Grund setzte er sich in seinen Wagen, um nach Reinickendorf in die Flottenstraße zu fahren, sein Ziel: Firma Comp-World. Die ganze Fahrt über schimpfte er vor sich hin. »Diese linke Zecke, dieses blöde Schwein! Dieses ganze intellektuelle Pack sollte man ausrotten!« Er hatte sich immer gehütet zu sagen, was er dachte. Außerdem ging er auch zu keiner NPD-Versammlung, denn das hätte ihm den Job gekostet. Die Gutmenschen, die ihn angestellt hatten, hörten das nicht so gern. Aber immerhin war das Kugelstoßen eine Sache der Deutschen geblieben, während es beim Fußball und beim Basketball fast ausschließlich Türken, Neger und andere Ausländer gab. Da konnte man gar nicht mehr hingehen, ohne das Kotzen zu kriegen. »Du hältst schön dein Maul!«, ermahnte er sich. Es war so wie früher in der DDR: Man hatte das zu sagen, was die Oberen hören wollten. Deshalb sagte er sich: »Doping ist ein Verbrechen, das wir mit allen Mitteln bekämpfen müssen!« oder »Die deutsche Leichtathletik kann erst wieder auf einen grünen Zweig kommen, wenn wir junge Menschen mit Migrationshintergrund für unsere Sportart gewinnen und begeistern können.« Das hörte sich gut an und wurde immer wieder zitiert. Dabei hätte er das ganze Pack mit seiner Heuchelei auf den Mond schießen können. Alle dopten, nur die doofen Deutschen nicht, und die durften nachher Letzte werden. Nur damit diese Arschlöcher von Grünen ihren Orgasmus hatten.
    Bulkowski sah auf die Uhr. Er musste sich beeilen, wenn er Völlenklee beim Verlassen des Werktores abpassen wollte. Die Zeit, sich in der Residenzstraße eine Wassermelone zu kaufen, die nahm er sich noch. Wenig später hatte er die Flottenstraße erreicht. Kurz hinter der Kopenhagener Straße fand er einen Parkplatz. Er stieg aus, nahm seine Wassermelone, schloss seinen Wagen ab und postierte sich gegenüber der CompWorld. Jetzt galt es zu warten. Das hatte er in langen Wettkampfjahren gelernt.
    Er hatte einige Kumpel, die zu vielem in der Lage waren. Ob er sie einmal ansprechen sollte, ob sie vielleicht diesen Völlenklee

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