Promijagd
uns jemand beobachten lässt.«
»Nur wer?«
Corinna musste nicht lange überlegen. »Na, Narsdorf, um zu sehen, wen von seinen Patienten wir auf der Liste haben.«
Völlenklee blieb gleichmütig. »Na und, soll er doch.«
Corinna berichtete von ihrem Misserfolg, Bulkowski draußen in Kladow auf seinem Motorboot aufzuspüren. »Da war er nicht und ich wollte auch keinen fragen, ob sie ihn gesehen haben.«
»Der wird uns nicht davonlaufen.« Völlenklee ging dazu über, die Salami auch ohne Brot zu essen.
»Narsdorf und Mägdesprung sei’s gedankt!« Corinna dämpfte seine Euphorie. »Na, der große
Lottogewinn war’s bis jetzt noch nicht. Und außer Bulkowski und dieser Millie Dingsda haben wir keinen, der Angst haben muss, dass seine Macken ans Tageslicht kommen. Bei dem Rummel, den sie um Narsdorf machen, hätte ich ja gedacht, dass da mehr Prominenz bei ihm versammelt ist. So ’n richtiger Topmanager fehlt uns.«
»Wo soll der herkommen, wir leben in Berlin.«
»Was nun?« Corinna konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
»Weitermachen«, sagte Völlenklee. »Es ist eben die Zeit der kleinen Brötchen.«
14
Maik Bulkowski schlief in der Koje seines Motorbootes bis weit in den Morgen hinein. In seiner Wohnung in Marzahn wäre er bereits kurz nach vier wach gewesen. Da hätten ihn die Dämonen gejagt. Dass er keinen mehr hochbekam, wenn er mit einer Frau zusammen sein wollte, dass sich der Krebs durch seinen Körper fraß, dass die Presse über ihn herfiel, dass er seinen Trainerjob verlor. Weil er es nicht mehr aushalten konnte, war er zu Narsdorf gegangen. »Alles wegen dem Doping damals, Herr Doktor. Wegen der vielen Pillen, die ich geschluckt habe, wegen dieser verdammten Hormone.« Dann hatte er geschrien, dass er bald verrückt werden würde. Und nun hatte er die Scheiße erst richtig am Hals, das mit den Erpressungen, weil dieses Arschloch von Arzt nicht aufgepasst hatte. Immerhin hatte Narsdorf ihm den Tipp gegeben, sich ein Boot zu kaufen und an Bord zu schlafen. »Da fühlen Sie sich wie im Uterus.« – »Wie wo?« – »Wie bei Ihrer Mutter im Bauch, im Fruchtwasser. Ganz geborgen. Das leichte Schaukeln hat eine heilsame Wirkung.«
Er hatte in Shirt und Turnhose geschlafen und brauchte sich zum Joggen nur seine Laufschuhe anzuziehen. Trotz seiner zwei Zentner sah es elegant aus, wie er sich mit einer Flanke auf den Steg schwang und schließlich lostrabte. Es ging die Imchenallee hinunter Richtung Sacrow. Links hatte er die Havel und den Wannsee. Es war ein herrlicher Blick hinüber zum Tiefehorn, jedoch interessierte der ihn nicht. Die Natur in und um Berlin hatte ihn noch nie interessiert. Alles langweiliger Mist. Keine Spannung, no action, no satisfaction. Ein bisschen Englisch konnte er. Vor dem Wettkampf musste man ja immer ein paar Worte mit den Konkurrenten wechseln. Schon, um die zu nerven und ihnen zu sagen, dass sie an diesem Tag keine Chancen hatten. »It’s too hot for you.«
Auf dem Rückweg zu seinem Boot machte er an einer kleinen Badestelle halt, um einen abgesägten Baumstamm als Hantel zu benutzen und einige Male in die Höhe zu stemmen. Die linke Leiste schmerzte mehr als gestern. Er hatte das Gefühl, dass sich Tausende von winzigen Würmern durch seinen Körper fraßen. Überall hatten sie ihre Gänge und Kavernen. Da konnten die Ärzte hundertmal behaupten, er sei organisch völlig gesund.
Wieder am Steg angekommen, zog er sich Shirt und Schuhe aus und sprang ins Wasser. Das war seine Morgentoilette. Auf das Zähneputzen konnte er verzichten. Danach kam sein Frühstück. Eine halbe Salami aus den Abruzzen, die brauchte er als Kraftspender, es folgte eine Riesenschale mit Milch und Müsli. Im Moment ging es ihm besser, doch gut noch lange nicht. Wer den Tod in sich trug, dem konnte es nicht gut gehen. »Alles Scheiße!« Dr. Narsdorf hatte ihm was gegen seine Depressionen verschrieben, aber das Zeug schluckte er nicht. Keine Pillen mehr!
Um 9 Uhr war er so weit, dass er sich ins Auto setzen und zum Training fahren konnte. Zum Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark musste er durch die ganze Innenstadt hindurch, und das war zum Kotzen. An jeder Ecke eine Ampel und überall Staus. Er fluchte unaufhörlich. »Können diese Ärsche nicht alle zu Hause bleiben? Immer mit dem MG reinhalten!«
Auf dem Trainingsplatz war er ein ganz anderer, da war er der Bulli, wie ihn alle mochten, einfühlsam und immer bemüht, seinen Schützlingen nicht nur ein kompetenter Ratgeber,
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