Promises - Nur mit dir (German Edition)
damals mit der Nachhilfe angefangen hatte.
»Warum willst du jetzt schon die Variable durch Zahlen ersetzen?«
»Dadurch wird es einfacher.«
»Variablen sind einfach. Zahlen machen alles kompliziert. Warte bis zum Schluss. Hier.« Ich zeigte auf die Physikaufgabe, an der sie arbeitete. »Sieh dir die an. Was weißt du über F?«
»Kraft gleich Masse mal Geschwindigkeit.«
»Richtig. Also, was ist, wenn wir anstelle von F ›M mal A‹ in diese Gleichung einsetzen?«
»Aber wir sollen F lösen!«
»Ja, aber was siehst du auf der anderen Seite der Gleichung?«
Sie schaute hin, und ich sah, wie ihr langsam ein Licht aufging. »M und A.« Ich beobachtete, wie sie das verarbeitete. Und dann kritzelte sie hektisch mit ihrem Bleistift drauflos und redete dabei. »Ich kann M ausschließen, und dann habe ich 2A, aber dann …« Sie kritzelte weiter. »Jetzt habe ich A!«
»Stimmt. Und du hattest schon M …«
»Also multipliziere ich sie jetzt einfach, und ich erhalte F!«
»Genau.«
»Es ist wie ein Puzzle!« Ihre Augen leuchteten vor Aufregung.
»So kann man es auch sehen, ja.«
Der Ausdruck von Freude über die Einsicht und Leistung auf ihrem Gesicht erwies sich als bemerkenswerter Balsam für den Schmerz in meinem Herzen.
Doch dabei blieb es nicht. In der nächsten Woche brachten sie ein weiteres Mädchen mit. Und dann brachte dieses wiederum ihren Freund mit. Am Ende des Monats hatte ich zehn verschiedene Schüler, die dienstags und donnerstags vorbeikamen, um sich in Mathe oder Physik helfen zu lassen. Nicht alle kamen jedes Mal, aber es war immer mindestens einer da und meistens vier oder fünf. Mein Haus verwandelte sich in eine Art Treffpunkt für die Intelligenzbestien der Highschool.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis es deswegen Ärger geben würde.
18
Jeder, der in Colorado aufgewachsen ist, kann bestätigen, dass es einen Tag im Jahr gibt, an dem wir garantiert schlechtes Wetter haben: Halloween. Es sah aus, als würde dieses Jahr keine Ausnahme darstellen. Draußen war es feucht, und die Temperaturen waren gerade unter den Gefrierpunkt gesunken, als Brian mich am Abend des dreißigsten Oktobers anrief.
»Jared!« Er klang verzweifelt. »Lizzys Fruchtblase ist geplatzt. Komm ins Krankenhaus!
Sofort!
«
Als ich die Entbindungsstation gefunden hatte, ging ich einige Minuten lang vor ihrem Zimmer auf und ab. Ich war mir nicht sicher, ob ich anklopfen oder einfach hineingehen sollte. Ich wusste nicht, ob es gerade losging oder ob sie schon presste. Würde sie die Füße in Beinschalen haben? Würde alles voller Blut sein? Ich hatte null Erfahrung mit Geburten und keine Ahnung, was mich erwartete.
Schließlich erwischte ich eine der Schwestern, als sie hineinging, und bat sie, Brian zu sagen, dass ich draußen wartete. Gleich darauf kam er aus dem Raum gestürzt.
»Was zum Teufel machst du hier draußen? Geh da rein!« Er drehte offensichtlich durch. Ich hatte ihn noch nie so fertig gesehen. Sein Haar stand ihm in alle Richtungen vom Kopf ab, und seine Augen waren groß.
»Ist das Baby schon da?«
»Nein! Aber sie wird bald anfangen zu pressen, und sie will dich da drin haben!«
»Was?« Vor mir sah ich schreckliche Bilder von Lizzy in Beinschalen, von Körperteilen, die nicht für meine Augen bestimmt waren, und von Unmengen von Blut. »Nein! Ich kann doch nicht da rein, während sie das Baby bekommt!«
Brian packte mich am Hemd und näherte sich meinem Gesicht, wie er es nicht mehr getan hatte, seit wir Teenager gewesen waren. Er war wirklich erschüttert. »Lizzy will dich da drinnen haben. Und wenn sie das will, dann bekommt sie das auch, selbst wenn ich dir dafür in den Arsch treten und dich an den Haaren hineinschleifen muss!
Kapiert?
«
»Ist ja gut! Beruhige dich, Brian. Ich komme ja schon.«
Also stand Brian auf der einen Seite, und ich stand auf der anderen und hielt Lizzys Hand, während sie presste. Es dauerte über eine Stunde, und die arme Lizzy war am Ende vollkommen fertig. Ich war noch nie so froh darüber gewesen, ein Mann zu sein.
Schließlich steckte der Arzt dem Baby etwas auf den Kopf, das verdächtig nach einem Trichter aussah. Lizzy presste ein letztes Mal, der Arzt zog, und das Baby war frei. Ein Junge. Er war kahl und rosa und runzlig, sein Kopf war wie der Trichter geformt, und über dem Nasenrücken hatte er ein leuchtendes rotes Dreieck. Ich war entsetzt, aber Lizzy versicherte mir, dass sich das alles geben würde.
»Wir nennen ihn James Henry«,
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