Propaganda
sich an die Gegebenheiten des Denkens der Menschen anpassen. Man muss Umstände schaffen, die entsprechende Gedankenketten auslösen, muss Persönlichkeiten auf »dramatische« Art hervorheben und Kontakt mit den Anführern herstellen, die innerhalb ihrer gesellschaftlichen Gruppen die Meinungsbildung steuern.
Im politischen Leben stellt der Wahlkampf nur ein vorübergehendes Ereignis dar. Regiert werden muss dagegen kontinuierlich. Weniger spannend, dafür aber viel wichtiger und sinnvoller als im Wahlkampf ist darum fachgerechte Propaganda als Unterstützung der politischen Alltagsarbeit in einer Demokratie.
Gute Regierungsarbeit kann der Öffentlichkeit genauso verkauft werden wie jedes andere Produkt auch. Politiker, denen Ansehen und Effizienz ihrer Partei am Herzen liegen, sehe ich in Zukunft Nachwuchskräfte mit sowohl politischen als auch propagandistischen Fähigkeiten ausbilden. Vor kurzem sprach ich mit George Olvany, dem Chef von »Tammany Hall«, der demokratischen Parteizentrale in New York. Er erzählte, dass gerade einige Princeton-Absolventen in Tammany Hall ihre Karriere begännen. An seiner Stelle hätte ich die klügsten der jungen Männer zu einer Theaterproduktion am Broadway geschickt oder sie als Praktikanten bei einem professionellen Propagandisten untergebracht, bevor ich sie für die Arbeit in der Demokratischen Partei engagiert hätte.
Der Politiker von heute tut sich schwer, die im Wirtschaftsleben gebräuchlichen Methoden zu übernehmen, weil er so leichten Zugang zu den Kommunikationsmedien hat, von denen seine Macht abhängt. Die Zeitungsmacher erwarten Informationen von ihm. Indem er Informationen herausgibt oder zurückhält, ist der Politiker effektiv in der Lage, die politischen Nachrichten zu zensieren. Weil sie Tag für Tag und Jahr für Jahr von ihren Nachrichtenlieferanten, den Politikern, abhängig sind, sind die Reporter gezwungen, harmonisch mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Der politische Führer sollte jedoch die Rahmenbedingungen aktiv selbst bestimmen, anstatt nur mechanisch die üblichen Prozeduren zu durchlaufen.
Angenommen, ein Politiker betreibt eine Kampagne für eine Herabsetzung der Zölle auf Importprodukte. Vielleicht setzt er das Radio ein, um seine Ansichten zu verbreiten. Man kann aber mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass er einen psychologischen Ansatz wählen wird, der schon Anfang des 19. Jahrhunderts, zu Zeiten von Andrew Jackson, des siebten Präsidenten der Vereinigten Staaten, veraltet war, und den die Unternehmen längst hinter sich gelassen haben. »Stimmen Sie für mich und damit für niedrige Steuern, denn hohe Steuern machen Ihr Leben teuer«, wird er im Radio sagen, und richtig: Er hat den großen Vorteil, darüber 50 Millionen Menschen zu erreichen. Aber die Methode ist altmodisch, denn er argumentiert. Auf diese Weise stemmt er sich ganz allein gegen die Trägheit der Massen.
Als Propagandist würde er zwar auch das Radio benutzen, allerdings als Instrument im Rahmen einer gut geplanten Strategie. Da er eine niedrigere Importsteuer zum Thema machen will, würde er den Zuhörern nicht nur sagen, dass hohe Steuern die Lebenshaltungkosten erhöhen, sondern er würde versuchen, seine Aussage auf dramatische und leicht nachvollziehbar Weise zu illustrieren. Vielleicht mit einer parallel in zwanzig Städten stattfindenden Ausstellung über die Folgen reduzierter Einfuhrzölle, wo anschaulich dargestellt wird, wieviel mehr bestimmte Güter kosten, weil sie zu hoch besteuert sind. Prominente, die seiner politischen Karriere zwar neutral gegenüberstehen, denen aber ebenfalls an einer niedrigeren Besteuerung gelegen ist, könnten diese Ausstellung feierlich eröffnen. Er würde Gruppen, deren Interessen durch hohe Zölle besonders stark beeinträchtigt werden, dafür gewinnen, sich ebenfalls für sein Anliegen einzusetzen. Das Thema könnte dramatisiert werden durch Personen des öffentlichen Lebens, die demonstrativ teure (Import-)Wollkleidung boykottieren und in Baumwollkleidung an wichtigen Ereignissen teilnehmen würden, bis die hohen Preise für Wolle gesenkt werden. Der Propagandist würde Sozialarbeiter fragen, ob die hohen Wollpreise ihrer Einschätzung nach im Winter eine Gefahr für die Gesundheit der Armen sei.
Wie auch immer er es anpackt, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wäre schon auf die Frage gelenkt, bevor er sie selbst thematisiert. Wenn er nun zu seinen Millionen Radiohörern spricht, würde er ihnen daher nicht mehr
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