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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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ihnen gleichgültig sein. Sie werden sich keiner Sache und keinem Menschen mehr verpflichten und werden sich über alles erhaben dünken, als könne ihnen niemand mehr Rechenschaft abfordern. Das Vergnügen wird ihre Seele füllen und für Gott wird kein Raum sein. Bei alldem werden sie eine fromme Fassade bewahren, aber wo der Glaube dem Leben wirkliche Gestalt geben sollte, werden sie ihn abtun.«
    »Das fasst acht Jahre Bush-Regierung ziemlich gut zusammen«, kommentierte Tess.
    »Aber die ›letzten Tage der Welt‹ werden schon seit Jahrtausenden vorhergesagt«, fügte Libby hinzu.
    »Ja, daher war es auch ziemlich leicht, die Leute dazu zu kriegen, all das zu glauben – bislang.«
    Libby betrachtete ihn forschend. »Und wie fühlen Sie sich als Zentrum von alldem?«
    »Manchmal hasse ich es.« Er zuckte die Achseln. »Aber manchmal ist es auch echt klasse, besonders die ganze Kohle – ich meine, wie viele Neunzehnjährige kennen Sie, die zwei Häuser besitzen und einen Porsche Cayenne Turbo fahren? Und ich will ja nicht prahlen, aber mein nächstes Auto wird ein Aston Martin sein – ein roter.«
    Libby machte ein verkniffenes Gesicht. »Das klingt nach so vielen Pferdestärken, dass sogar ein Mann, der doppelt so alt ist wie Sie, Probleme haben könnte, verantwortlich damit umzugehen. Aber ich kann gut verstehen, dass das ganze Geld – und die Besitztümer, die Macht und der Ruhm, die damit einhergehen – verlockend sein können.« Sie dachte nach. »Also, was ist die Kehrseite des Ganzen? Schließlich und endlich sind Sie ja weggelaufen.«
    Man hörte ein fernes Klopfen und Tess erhob sich und ging zur Tür.
    Erneut überlegte Sebastian, ob er die Liste seiner Stressfaktoren offenlegen sollte, entschied sich aber dagegen. »Jungen in meinem Alter denken eben einfach darüber nach, was, oder wer, sie werden wollen, das ist normal. Aber ich habe keine Wahl. Kitty hat bereits mein ganzes Leben für mich bestimmt.«
    Libby rückte ihre Brille zurecht. »Also, es kommt Ihnen so vor, als hätten Sie keine Wahl in der Frage, welche Richtung Ihr Leben nehmen soll.«
    »Ja, so kommt es mir vor, denn ich glaube, im Grunde hat jeder eine Wahl. Außerdem übt Kitty jede Menge Druck auf mich aus, damit ich weitermache. Das ist erst der Anfang, sagt sie, und wir könnten größer werden als die katholische Kirche.«
    »Ich verstehe.« Libby nickte nachdenklich. »Aber – ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich diese Frage stelle, und bitte beantworten Sie sie nur, wenn Sie sich auch wirklich wohl dabei fühlen – glauben Sie ernsthaft, dass Sie ein echter Messias sind und zu einer neuen Spezies Mensch gehören?«
    Sebastian rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Er hatte gespürt, dass sie sich darauf vorbereitete, ihm diese Frage zu stellen, und er hatte gehofft, sie würde es nicht tun. Aber er spürte auch, dass Libby, in ihrem Zustand, bereit war, die Wahrheit zu hören.
    »Ja«, sagte er endlich und hob die Augenbrauen. »Ja, das glaube ich wirklich.«

13
    Kitty war den ganzen Nachmittag beschäftigt gewesen, erst mit ihrer Innenarchitektin und dann mit ihrem Anwalt. Keiner von beiden hatte ihr Frieden beschert.
    Caitlyn de Palma, ihre Innenarchitektin, war eine große, magersüchtige Blondine, die sich offensichtlich die Nase hatte machen lassen und eine lange Liste von Berühmtheiten in ihrer Kundenkartei vorweisen konnte. Nach dem Mittagessen war sie im Penthouse erschienen, mit Unmengen von Stoffmustern, Holzfurniermustern und Simulationen auf ihrem Laptop, die zeigten, wie Kittys Apartment ohne die Designer-Möbel aus der Mitte des Jahrhunderts oder die expressionistischen Kunstwerke aussehen würde. Ihre Entwürfe zeigten stattdessen das englische Landhaus-Motiv samt Chintzsofas und Fauteuils, pastellfarbenen Aubusson-Läufern, Kronleuchtern, einer Mahagoni-Esstischgarnitur von Chippendale und chinesischen Fu-Hunden.
    »Bisschen viel Kristall«, bemerkte Kitty, nachdem sie die Diashow über sich hatte ergehen lassen. »Und diese Marmorplatten auf den Tischen erinnern an Forest Lawn, Sie wissen schon, den Friedhof in Glendale. Übrigens, ich bin alt genug, um zu wissen, von wem Sie das alles kopiert haben. Mario Buatta, so um neunzehnzweiundneunzig herum.« Sie schaute die Innenarchitektin an und lächelte. »Ich find’s furchtbar.«
    »Aber wenn erst die Warhols hängen, wird es fantastisch aussehen!«, hatte Caitlyn protestiert.
    »Für Prinzessin Diana vielleicht«, regte Kitty an.

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