Prophetengift: Roman
»Vielleicht sollten Sie mal bei ihr vorbeischauen.«
Caitlyn hatte ihre Sachen eingesammelt und war beleidigt abgezogen.
Gleich nachdem sie die Tür hinter sich zugeknallt hatte, klingelte Kittys Handy wie aufs Stichwort – als würde sie in irgendeinem Schultheaterstück oder einer schlechten Sitcom mitspielen.
»Kitty, hier ist Larry.«
»Raus mit den schlechten Nachrichten«, erwiderte sie.
»Sitzen Sie?«
Sie schlenderte zu ihrem Lieblingsmöbel, einem Barcelona-Sessel von Mies van der Rohe – die Vanity Fair hatte ein Bild von ihr auf diesem Sessel gebracht, und Kitty hatte erfreut festgestellt, wie gut das weiße Leder ihre Wespentaille und ihr jettschwarzes Haar zur Geltung brachte –, und setzte sich. »Jetzt ja.«
»Diese Leute rasen vor Wut«, sagte Larry, »und sie wollen Blut sehen.«
»Aber es war nicht böswillig«, versicherte Kitty ihm. »Es war keine Absicht, Larry. Ich versichere Ihnen, dieser Verrückte, Lukes Vater, hat das, was er getan hat, ganz von sich aus getan, wir haben ihn nicht dazu genötigt.« Sie suchte in ihrer riesigen Louis-Vuitton-Tasche nach ihren Zigaretten, fand sie, schüttelte eine aus der Packung, zündete sie an und sog die Hitze tief in ihre Lungen ein. »Und ich soll jetzt also für den Wahnsinn dieses Mannes zahlen?« Sie stieß die Worte zusammen mit einer giftigen Rauchwolke aus. »Kommen Sie!«
»Es spielt keine Rolle, wie die Wahrheit aussieht«, begann Larry, »denn die Angehörigen haben denselben Anwalt eingeschaltet, der gegen Scientology angetreten ist – und gewonnen hat. Sie behaupten, dass Nötigung oder Hirnwäsche vorliegt, und sie verlangen außerordentlich viel Schadenersatz.«
»Verdammt.« Kitty stieß erneut den Rauch aus. »Wie viele Millionen? Zwei? Drei?«
»Ich will es Ihnen gar nicht sagen.«
»Wie viel?«
»Fünfundzwanzig.«
Sie hustete heftig und schaute auf die brennende Zigarette zwischen ihren kunstvoll gefeilten Nägeln mit den künstlich geweißten Spitzen. »Also, was machen wir?«
Sie warf die Zigarette auf den weißen Terrazzo-Boden und trat sie mit ihrem Pump aus.
»Wir brauchen Sebastian hier, damit er eine eidesstattliche Erklärung abgeben kann – ich muss unbedingt mit ihm reden. Und dann werden wir versuchen zu einem annehmbaren Vergleich zu kommen.«
»Will ich auch hoffen«, sagte Kitty. »Aber Larry, ich ... ich habe da im Augenblick ein kleines Problem mit meinem Sohn.«
»Was für ein Problem?«
»Sagen wir einfach, er macht gerade Urlaub.« Sie zündete sich eine neue Zigarette an.
»Schaffen Sie ihn her«, blaffte Larry. »Ich werde morgen sogar die Kanzlei früher für ihn öffnen.«
»Er ist ...« Sie überlegte kurz. »Er ... redet gerade nicht mit mir.«
»Kitty? Was zum Teufel geht hier vor?«
»Diese ganze Sache mit Luke hat ihn ziemlich mitgenommen, also ist er weggefahren – ich nehme an, er ist nach San Francisco unterwegs.«
»Wo ist er jetzt? Soll ich mal mit ihm sprechen?«
Sie zögerte. »Ich ... sollte eigentlich nicht wissen, wo er ist, und fragen Sie mich nicht, woher ich es trotzdem weiß. Sagen wir einfach, eine besorgte Mutter findet immer Mittel und Wege, ihr Kind im Auge zu behalten.« Sie sog das brennende
Aroma ihrer Zigarette ein. »Ich schicke ihm eine SMS, damit kriege ich ihn meistens wieder rum. Ich werde sie so formulieren, dass er selbst herausfinden muss, was passiert ist.«
»Je eher, desto besser, Kitty«, betonte Larry. »Ich werde heute Nacht jedenfalls nicht gut schlafen.«
»Ich auch nicht, Larry. Ich auch nicht.«
14
»Ramon sagt, die undichte Stelle im Dach ist zu groß«, berichtete Tess, als sie zurückkehrte. »Er kann es heute nicht mehr reparieren.«
Libby schaute sie an. »Aber es zieht ein Riesensturm auf. Warum kann er das Dach nicht einfach mit diesem magischen Teerzeugs flicken, das er immer nimmt?«
»Er meint, dazu wäre nicht mehr genug von dem Dach übrig, also muss er ein paar neue Bahnen Dachpappe über die alte legen«, erklärte Tess. »Glücklicherweise hat er zufällig eine große Rolle für einen anderen Kunden auf dem Laster, aber sie ist so schwer, dass er sie nicht alleine runterkriegt.«
»Hat er denn Jesus nicht mitgebracht?«
Tess schüttelte den Kopf. »Der ist für ein paar Tage nach Mexiko zurückgegangen. Seine Mutter ist krank.«
»Zu blöd«, seufzte Libby. »Und für heute Abend haben sie noch mehr Regen angekündigt.«
Tess warf einen finsteren Blick auf Sebastian.«Auch blöd, dass wir keine
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