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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Nolan
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Tiere sich durch Evolution entwickeln, weil auch Gott sich entwickelt, und dass es schon viele Götter gegeben hat – nicht alle zur gleichen Zeit, wie die Griechen es geglaubt haben, sondern eine Abfolge von Göttern, wie bei einer Monarchie oder Dynastie. Und wenn
ein Gott sich zum Sterben bereitmacht, wartet schon ein anderer, höher entwickelter Gott darauf, seinen Platz einzunehmen. Und wir glauben, dass alle Geschöpfe sterben, weil auch alle Götter irgendwann sterben – und dass es das ist, was die Bibel meint, wenn sie sagt, dass der Mensch nach Gottes Abbild geschaffen wurde. Sterblichkeit ist in Wahrheit heilig.«
    »Die müssen im Himmel unser amerikanisches Gesundheitssystem haben«, murmelte Tess und kuschelte sich wieder in ihren Sessel. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung.«
    »Wir glauben, dass es hier auf der Erde einen Gott für die Amöben gegeben hat, dann einen anderen Gott für die Dinosaurier und einen weiteren für die ersten Menschen – für die Australopithecinen, dann für den Homo habilis und den Rest. Und jetzt sind wir nahe daran, den Gott zu verlieren, der für die letzten dreitausend Jahre oder so regiert hat – der, der seit der Zeit der ägyptischen Pharaonen an der Macht ist. Dieser Gott war während des Römischen Reichs und bei der Unabhängigkeitserklärung bei uns, aber jetzt ist er auf dem Weg hinaus, und deshalb befindet die Welt sich auch in einem so desolaten Zustand. Es ist, als hätte er Alzheimer und hätte vergessen, wie er seine Arbeit machen soll.«
    Tess schlug sich aufs Knie. »Na, das ist doch mal eine gute Geschichte. Sie sollten Romane schreiben!«
    »Wie sind Sie zu diesen Glaubensvorstellungen gelangt?«, fragte Libby.
    »Es war meine Mutter. Kitty. Sie hat diese Dinge in einer Reihe von Visionen gesehen.«
    »Ein wahres Orakel von Delphi, Ihre Mutter!«, rief Tess aus. »Und aufgrund dieser Geschichten hat sie ihren Sohn zum Verkünder der Herrschaft des nächstes Gottes gesalbt? Eine Art Erzengel Gabriel, der die Massen mit seinem elektronischen Internet-Horn auf den kommenden Weltuntergang vorbereiten soll?«
    »Könnte man vermutlich so sagen«, entgegnete Sebastian.
    »Und was ist mit dieser ›Holozän-Umbruchsperiode‹, von der wir so viel gehört haben?«, fragte Libby.
    »Das ist etwas, über das die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten viel gesprochen hat. Es ist ein Massenaussterben, bei dem siebzig Prozent unserer Spezies aussterben werden. Und dieses Massenaussterbeereignis, so glauben wir, kündigt den Tod des alten Gottes und die Ankunft des neuen Gottes an.«
    »Okay«, begann Tess, »wenn ich Ihnen das abkaufe – und es klingt auch nicht weiter hergeholt als vieles, was in der Bibel steht –, was ist dann mit der Vorstellung, dass Sie und Ihre Anhänger genetisch weiter fortgeschritten sind, dass Sie irgendwie einen Entwicklungssprung gemacht haben? Welche Beweise haben Sie dafür?«
    »Also ...«, Sebastian zögerte, »die alte Geschichte, die wahre Geschichte, ist, dass meine Mutter nicht weiß, wer mein Vater ist. Sie war bei der Geburtstagsfeier einer Freundin und war irgendwann so bekifft und betrunken, dass sie ohnmächtig wurde. Nach einem Monat bekam sie ihre Tage nicht, und natürlich stellte sie fest, dass sie schwanger war. Sie versuchte herauszufinden, mit wem sie sich an diesem Abend unterhalten hatte, aber alle hatten ganz schön gebechert – wir werden es also nie erfahren.«
    »Vielleicht war es ja eine unbefleckte Empfängnis«, bemerkte Tess sarkastisch.
    Libby warf ihr einen Blick zu.
    »Ihre Eltern«, fuhr Sebastian fort, »wollten, dass sie mich zur Adoption freigibt oder abtreiben lässt, aber das wollte sie nicht. Als sie versucht haben, sie zu zwingen, ist sie abgehauen.«
    »Eine mutige Tat«, kommentierte Libby. »Wo ist sie hingegangen?«
    »Sie hat draußen in der Wüste ein paar Leute getroffen, draußen in Twentynine Palms, die auf einer alten Ferienranch
wohnten, der Deerhorn Lodge. Sie sagt, erst wären alle wie eine Familie zu ihr gewesen, aber nach meiner Geburt ist sie weggegangen, weil alle so taten, als wäre ich ein Gemeinschaftskind und nicht bloß ihres.«
    »Klingt ziemlich nach der Manson-Familie, wenn ihr mich fragt«, bemerkte Tess.
    »Sie konnte nirgendwo sonst hin, also kehrte sie zu ihren Eltern zurück. Ich war damals ungefähr ein Jahr alt. Aber es dauerte nicht lange, dann gingen die Streitereien wieder los, also ist sie mit mir ausgezogen. Wir fanden eine kleine Wohnung in

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