Prophezeiung
Freunde aus Deutschland vermutlich ausgiebiger begrüßt, wäre nicht im fast gleichen Augenblick Theo aufgetreten und hätte seinem Herrn und Meister ein Handy überreicht, mit den Worten, das Kommando Diego Garcia wünsche ihn zu sprechen.
Milett nahm das Gespräch entgegen, schaltete den Lautsprecher ein und ließ sich von Diego versichern, wie froh und glücklich man sei, ihm behilflich sein zu dürfen. Milett lächelte huldvoll, während der ferne Diego ihn wortreich verehrte, Danielle, Aldo, Jean-Baptiste und Goran lächelten mit, als wären auch sie gemeint.
Während der umfangreiche, mehrere Terabyte umfassende Download lief, baute Danielle eine ganze Batterie von Schminkkisten und -koffern um Milett herum auf und verhüllte den Oberkörper ihres Cherie mit einem schwarz glänzenden Cape. Milett informierte unterdessen Aldo über das, was er mit der abendlichen Ansprache zu transportieren gedachte, und Jean-Baptiste und Goran über die sensationelle Sachlage.
Martha, Miletts persönliche Assistentin, traf als Letzte ein. Mavie schätzte sie auf Ende dreißig. Perfekt artig frisiert, in einem blauen Business-Kostüm, mit einer randlosen Brille über einem freudlosen Mund. Sie sah nicht aus, als könne sie lächeln, begrüßte alle Anwesenden mit einem Nicken, das ins Leere ging, nahm neben ihrem Chef Platz, klappte eine gewaltige Wiedervorlagemappe auf und wartete, bis Milett mit seiner kurzen Einführung für Jean-Baptiste und Goran fertig war.
Goran stand auf, entnahm seiner mitgebrachten Aktentasche einen Laptop und klinkte sich in das Milett’sche WLAN ein, Jean-Baptiste lächelte Philipp und Mavie kurz an, als bemerkte er sie erst jetzt, und Martha begann ihren Chef zu informieren, welche Journalisten zu- und abgesagt hatten, welche Sender die Ansprache live übertragen wollten und wer die redaktionellen Ansprechpartner seien, falls er kurze Einspielfilme wünschte. Milett wollte sich Jean-Baptiste zuwenden, aber Danielle legte ihm eine energische Hand auf den Scheitel, ließ ihre Schere ins Leere klappern und wies ihn darauf hin, er wolle garantiert nicht als Van-Gogh-Lookalike vor die Welt treten, also solle er gefälligst stillhalten. Milett lachte, sah notgedrungen weiter nach vorn, durch Mavie und Philipp hindurch, und fragte Aldo, ob sie Einspieler brauchten – Aldo verneinte, sah Goran an und meinte, falls sie irgendetwas brauchten, machten sie das lieber selbst, per Keynote. Goran nickte, Milett nickte, sehr vorsichtig, um die klappernde Danielle nicht zu provozieren, und Martha nutzte die Unterbrechung ihres Logistik-Vortrags, um Mavie und Philipp einen unwirschen Blick über ihre Brillengläser zuzuschießen, der eindeutig fragte: Kann mal einer diese Touristen aus der Kommandozentrale entfernen?
Als der Download beendet war, wurde alles noch ein bisschen schlimmer. Der Laptop stand zwischen Goran und Milett selbst, Martha rutschte rechts neben Goran, Aldo und Jean-Baptiste platzierten sich neben Danielle und spähten von links und rechts um ihren Boss herum.
Mavie und Philipp wechselten einen Blick. Sie waren endgültig unsichtbar geworden, denn nun deuteten die Herren auf der anderen Seite des Tisches hierhin und dorthin Richtung Display und wiesen Goran an, immer wieder neue spezifische Daten und Parameter anzuklicken, während Danielle sich leise summend und klappernd weiter mit Miletts Haaren vergnügte und Martha offensichtlich zu verstehen versuchte, was all diese Daten und Grafiken auf dem Schirm überhaupt zu bedeuten hatten.
Mavie hätte wahnsinnig gern selbst einen Blick auf die Daten geworfen. Schon weil sie schlicht und ergreifend vergessen hatte, für welchen Tag genau Prometheus die ersten Collateral Damages vorhergesagt hatte, sowohl im Süden als auch in Hamburg. Aber wie sollte sie das anstellen?
Aufstehen, sich räuspern und sagen: Hört mal, Freunde, das ist mein Baby? Meine Enthüllung? Meine Party? Macht mal Platz und lasst mich an die Tasten?
Oder wenigstens: Macht mal Platz und lasst mich auch was sehen?
Sie konnte sich natürlich auch in die dritte Reihe stellen, hinter Danielle, oder versuchen, über Aldos Schulter zu spähen. Oder unter Jean-Baptistes Achsel hindurch. Sie verfügte über gleich mehrere Alternativen, sich komplett lächerlich zu machen.
Philipp fuhr die Arme Richtung Decke aus, reckte sich im Stuhl und stieß ein leises, wohliges »Mmmh-whaah« aus, wie nach einem erfrischenden Mittagsschlaf. Er lächelte in Richtung der aufgeregt
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