Prophezeiung
sapiens gleich mit.«
Was sie für ihr stärkstes Argument gehalten hatte, verscheuchte er wie eine lästige Fliege. Er wusste, wovon sie sprach – vom Toba auf Sumatra, der 74 000 Jahre vor ihrer Zeit explodiert war, mit einem Vulkan-Explosivitäts-Index von acht, und dessen Aschewolke tatsächlich für eine neue Eiszeit gesorgt hatte. Sie aber würden einen Vulkan mit einem VEI von fünf oder sechs sprengen, keinen Taupo, keinen Toba, keinen Yellowstone, nicht einmal einen wie den Kurillensee-Vulkan. Sondern einen der Stärke sechs. Aus der gleichen Kategorie wie Pinatubo, Krakatau und Laacher.
Damit war die Grundsatzdiskussion beendet gewesen, jedenfalls für ihn, und er hatte ihr die neuen Teammitglieder vorgestellt, mit denen er nun voranzukommen gedachte, statt weiter Zeit zu verlieren. Stephen Brigg, Schotte und Vulkanologe, ein brummiger Holzfäller; Henning Södergren, Schwede und Sprengstoffexperte, blass und schmal; sowie Dick Filmore, Fachmann für Nuklearsprengungen.
Entsprechend verlief das Gespräch. Mavie versuchte zwar noch einige Male, Zweifel an der Idee an sich anzubringen, fing sich aber dafür jedes Mal einen Blick von Milett ein, der mit sofortigem Rauswurf drohte – sowie die ergänzende Bemerkung, ihre Expertise werde vermutlich noch gebraucht, später.
Nach einer knappen Stunde kannte sie die aussichtsreichsten Kandidaten auf der Big-Ass-Liste, kannte die Vorbehalte gegen die meisten – Umgebung zu schwer zu evakuieren, schwierige Windverhältnisse, schwierige politische Verhältnisse – und schloss sich schweigend der Mehrheitsmeinung an, am geeignetsten erscheine der Emi Koussi, weit ab von jeder Zivilisation im nördlichen Tschad gelegen, 3400 Meter hoch im Tibesti-Gebirge. Bei dem stellte sich lediglich die nicht unbedeutende Frage, wie man die Sprengladungen am besten platzieren und überhaupt vor Ort bringen wollte. Södergren, Filmore und Brigg waren übereinstimmend der Meinung, man müsse den Vulkan präparieren, um die Sprengsätze zuverlässig ins Innere zu bringen, zwischen felsisches und intermediäres Magma, mit einem Abwurf sei es beileibe nicht getan. Und das bedeutete, dass Milett telefonieren musste. Mit seinem Freund, dem französischen Präsidenten. Der dann vermutlich dem Tschad irgendwas versprechen musste, nicht nur, dass zumindest ein Teil der Bevölkerung den möglichen Fallout überleben würde, sondern erst recht ein paar Millionen Entwicklungshilfe für die Privatkonten der Regierungsmitglieder. Die Chancen standen nicht schlecht. In der UNO -Rangliste der korruptesten Regierungen stand die des Tschad auf einem beachtlichen vierten Rang.
Nachdem Milett sich zurückgezogen hatte, um zu telefonieren und mit Aldo an seiner für den nächsten Morgen in Genf geplanten Antrittsrede vor dem UNO -Expertenkomitee zu arbeiten, diskutierten die drei Neuankömmlinge mit Goran und Jean-Baptiste das Für und Wider der Nuklearsprengung – Goran regte an, stattdessen mit Thermit zu arbeiten, um der Gefahr einer Verstrahlung aus dem Weg zu gehen, die anderen lehnten den Vorschlag ab, weil »waffenfähiges« Nanothermit erstens nur von den Amerikanern zu bekommen sei, zweitens unmöglich tief genug im Krater zu platzieren, ohne schon beim Versuch eine für das Sprengteam verheerende Kettenreaktion auszulösen, und drittens ein Vulkan, anders als das World Trade Center, auf das Goran offenbar anspielte, nun einmal nicht vorwiegend aus Stahl und Eisen bestünde, die Thermitreaktion also mangels Eisenoxid im Krater gar nicht in gewünscher Form explosiv stattfinden könne. Goran solle sich daher seinen »konspirologischen Unsinn« gefälligst ebenso wie sein Thermit für die nächste Stahlträgerkettenreaktion aufheben und in diesem Fall in den sauren Kernapfel beißen.
Mavie versuchte es noch einmal. Diesmal bei Jean-Baptiste, mit dem sie die Expertenrunde verließ, um weitere Daten über die Kandidaten zwei und drei auf der Big-Ass-Liste einzuholen – Kandidaten, die auf der Liste nach oben rutschen würden, falls die Regierung des Tschad sich uneinsichtig zeigte. Aber auch Jean-Baptiste sah sie bloß verdattert an, als sie noch einmal betonte, die Folgen einer solchen Sprengung seien unabsehbar, mittelfristig wären – einigen Studien zufolge – sogar weniger Niederschläge zu erwarten und der Nutzen alles andere als gewiss. Denn selbst wenn das von Milett gewünschte Global Dimming die Sonneneinstrahlung tatsächlich signifikant senkte, war damit noch lange nicht
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