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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Gleiche denken wie ich, aber das will keiner hören. Und bei Gerrittsen kann ich ihm nicht helfen. Was macht Eisele?«
    »Keine Ahnung. Weil meine Scheiß-Assistentin im Urlaub ist. Ohne Erlaubnis. Meine Ex -Assistentin.«
    »Die wird im Moment vermutlich andere Sorgen haben.«
    »In Zukunft erst recht.« Ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden, sagte er: »Aber das ist krank, oder? Wir kriegen uns ja wenigstens in die Haare, du willst die Welt retten, ich mein Haus, du bist die Gute, ich bin schlau … Aber dass das alles so weitergeht …«
    »Was?«
    Er deutete auf das iPad. »Na, das da, das Programm. Dass das Spiel stattfindet. Aber auch sonst, alles wie gehabt. Gerichtsserien, ›Deutschland renoviert‹ – aufgezeichnet im letzten Sommer –, ›So kochen Deutschlands C-prominente Haustiere‹ – alswäre ansonsten nichts los. Klar, die Nachrichtensender berichten den ganzen Tag rauf und runter, überall brennt’s, überall wird geschossen, überall kratzen Menschen ab wie die Fliegen, aber für die normale Sofakartoffel ist wahrscheinlich schon Paris gefühlt so weit weg wie der Pferdekopfnebel. Fragt sich nur, wann die endlich kapieren, dass die Wirklichkeit sie gerade eingeholt hat. Wann die mal den Kopf leicht nach links wenden und aus dem Fenster gucken statt aus dem Fernseher.«
    »Wenn der Pizzamann nicht mehr klingelt.«
    Er hatte gerade das Glas gehoben und den Mund geöffnet, als sie antwortete, und einen Sekundenbruchteil später wischte er sich den energisch geprusteten Malt von Nase und Wange, lachte aber trotzdem weiter.
    Mavie konnte nicht anders, sie machte kurz mit. Und das fühlte sich sogar noch besser an als ihr Gebrüll von vorher.
    » Joey’s Pizza im Schlauchboot«, sagte Philipp.
    »Sushi, frisch gefangen vor Ihrer Winterhuder Haustür.«
    »Lieferung vom Qualle-Versand.«
    Sie setzte sich auf die freie Betthälfte, lehnte sich an und griff nach dem zweiten Whiskyglas. Er schenkte ihr großzügig ein, sie hob das Glas, trank, schüttelte sich und schnappte sich Cracker und Käse.
    »Das ist ja voll«, sagte sie, deutete auf den Bildschirm und meinte das Stadion.
    »Nee«, schüttelte er entschieden den Kopf. »FA -Cup. Ist immer randvoll, sonst, aber heute nicht. Locker 20 000 freie Plätze, wegen der Verkehrslage. Die Bahnen fahren nicht mehr zuverlässig, weil alles weggespült wird, und mit dem Auto nach London, selbst wenn dein SUV bis zur Windschutzscheibe wasserdicht verplombt ist: ganz miese Idee. Keine Parkplätze …« Er sah sie an. »Ich kann das auch ausmachen.«
    »Und dann?«
    »Weiß nicht. Backgammon ist nicht so meine Welt, aber du weißt doch von Milett, wie das zusammenhängt, kein Fernsehen und Bevölkerungswachstum …«
    »Vergiss es.«
    »Ich arbeite dran, aber wenn ich das nach 24 Stunden schon vergessen hätte, wärst du zu Recht verletzt.«
    »Du hast sie doch wirklich nicht alle«, sagte sie vorwurfsvoll und näherte sich langsam und mit einem glasklaren Nie im Leben im Blick seinem Gesicht.
    »Natürlich nicht«, sagte er, und sein Gesicht näherte sich ihrem. »Aber ich hab ja dich, und du bist zum Glück komplett kopfgesteuert.«
    Ein kollektives Seufzen erklang, und als sie beide verwundert aus den Augenwinkeln in Richtung des iPad sahen, sahen sie ein schwarzes Fenster.
    Philipp drückte irritiert auf den Schirm, aber nicht der hatte sich abgeschaltet, wie er und Mavie im gleichen Moment bemerkten. Denn das Videofenster war noch immer geöffnet, und nicht der iPad hatte sich in den optischen Ruhezustand versetzt.
    Aber erst nach einigen langen Sekunden begriffen sie, während die Londoner Geräuschkulisse aus dem iPad sich veränderte, von Verwunderung zu Unruhe und dann zu Panik, dass im Stadion kein Licht mehr brannte.

[Menü]
    38 Als ihr Handy sie morgens um fünf mit sanftem Summen weckte, hatte Mavie höchstens zwei Stunden geschlafen, verteilt auf kurze Abschnitte der Nacht. Sie brauchte eine ganze Weile, um Albtraum und Realität auseinanderzusortieren, mit dem Ergebnis, dass erschreckend wenig von dem, was sie gesehen hatte, Traum gewesen war.
    Es hatte nur zehn Minuten gedauert, bis wenigstens die Notbeleuchtung im Londoner Stadion wieder angesprungen war. Aber zehn Minuten im Dunklen in einem Stadion waren lang, zehn Minuten unter 50 000 anderen Menschen, die man kaum erkennen konnte. Viele hatten instinktiv, in den Minuten nach dem Stromausfall, das Weite gesucht und waren im Dunklen nach den Ausgängen gestrebt. Viele hatten dann

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