Prophezeiung
gesagt, dass dieser Eingriff auch positive Folgen für die Regenverteilung hätte.
Jean-Baptiste hatte bloß verständnislos den Kopf geschüttelt. Und sich entschuldigt. Er müsse arbeiten. Es gebe viel zu tun.
Mavie hatte genickt. Ihm recht gegeben. Es gab viel zu tun, in der Tat. Und sie hatte ihn gefragt, wer sich denn um die wirklich wichtigen Dinge kümmere, wenn nicht sie? Um den Rest.
Welchen Rest?
Den Rest, den CNN in stummen Bildern rund um die Uhr in die Bibliothek des Milett’schen Anwesens sendete.
Den Süden. Afrika. Die Unruhen in den Hafenstädten. Die beginnenden Flüchtlingstrecks durch die Wüsten. Um Notlager. Lebensmittel. Trinkwasser. Indien.
Jean-Baptiste hatte verständnislos hingesehen, auf den Schirm. Sich suchend nach allen Seiten umgesehen, die Fernbedienung auf dem Sofa gefunden und das Gerät dann ausgeschaltet. Es gebe viel zu tun. Und viele Gelegenheiten, sich abzulenken und sich zu verzetteln. Die er nicht zu nutzen gedenke.
Sie war gegangen.
Als sie das Gästezimmer betrat, war sie genervt, verspannt und geladen. Und als sie Philipp auf dem Bett liegen sah, bequem an die lederne Rückenstütze gelehnt, das iPad auf dem Schoß, auf einemTablett neben sich eine Cracker-und-Käse-Auswahl, eine bereits fast halb geleerte Flasche Lagavulin und zwei Whisky-Tumbler, hatte sie endgültig das Gefühl, im falschen Film gelandet zu sein. Aus dem iPad klangen Töne, die nicht sein konnten, wonach sie klangen: der Geräuschteppich eines voll besetzten Fußballstadions.
Sie zog die Augenbrauen hoch, er erwiderte ihren genervten Blick mit gleicher Münze, dann sah er wieder gelangweilt auf den Schirm und griff nach seinem Whiskyglas.
»Alles klar?«, sagte sie.
»Scheißtag.«
»Gleichfalls. Weil?«
»Weil ich nicht der Assi vom Assi bin. Weil Lisa sich verpisst hat und nicht ans Telefon geht und ich so nicht arbeiten kann. Die Schnecke ist so was von gefeuert! Weil meine Tochter nur noch mucksch rummault, weil sie irgendwie alles scheiße findet, weil meine Ex ihr dann auch noch das Handy wegnimmt und mir sagt, ich soll mich gefälligst raushalten, und auflegt und weil ich keinen Bock auf diese verdammten Riffpiraten in meiner Villa hab, immerhin ist das ja wohl noch mein Haus.«
»Aha«, sagte sie. »Klingt nach echten Problemen.«
»Du hast keine Ahnung von echten Problemen. Du hast keine Kinder, kein Haus, und du bist in deinem Element: Klima, Weltretten, sich wichtig machen. Ich wohn halt nicht in den Wolken, ich wohn an der Elbe.«
Sie musste schlucken, nicken und noch mal schlucken, ehe sie in Zimmerlautstärke antworten konnte. »Deine Kinder und deine Frau sind in Sicherheit, und wenn dir der Keller vollläuft, ist das ja wohl nicht so schlimm.«
»Da steht meine Bildersammlung.«
»Ja, scheiß auf deine Bildersammlung!« Es fühlte sich richtig an. Der Kragen platzte ihr mit Wucht, und sie fand die Lautstärke völlig angemessen. »Scheiß auf deine Villa! Es sterben überall Menschen …«
»Hey, breaking news! Es sterben immer überall Menschen.«
»… hast du die Bilder aus Lagos gesehen, verdammt?!«
»Ich wohne nicht in Lagos, ich weiß nicht mal, wo das ist. «
»… aus Algier, Rabat, Monrovia …«
»Hab ich!«, brüllte er zurück. »Mehr Kreuzfahrten! Aida füralle! Hunderttausende von Reisewilligen, die sich den Weg an Bord freischießen! Super! Mehr Bewaffnete, die in See stechen! Nachdem die ja jetzt wissen, wo’s hingeht – los, nach Europa! Nach Deutschland, die lassen uns rein! Die Elbe runter, wie die Kameraden von der Eastern Star! Da gibt’s Futter! Und Schnaps! Und Jungfrauen! Am besten blonde, also: Wenn die dich vor irgendeine Flinte kriegen, gute Nacht, Mavie …«
»Du spinnst doch echt. Das ist ein Schiff.«
»Das ist das erste Schiff. Die anderen sind aber schon unterwegs, und zwar in Mengen, zu Wasser und ab morgen auch zu Luft. Die Flughäfen werden gestürmt, Baby, und diese Terroristen wollen nicht in Hochhäuser fliegen, die wollen dummerweise bei uns landen. Das ist ’ne Monsterreisewelle, aber falschrum. Wer sieht hier nicht fern, du oder ich?«
»Du siehst, offensichtlich. DSDS schon vorbei? Wer spielt?«
»ManU gegen Chelsea. Eins-eins.« Er trank einen Schluck Whisky, dann sah er sie an, fragend, übertrieben höflich. »Auch einen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du sollst Thilo anrufen.«
»Weshalb?«
»Wegen der Vulkane. Und wegen Gerrittsen.«
»Überflüssig«, sagte sie, wieder kopfschüttelnd. »Er wird das
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