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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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allerdings auf dem Weg festgestellt, dass das keine gute Idee war, denn in den Gängen war es stockfinster gewesen. Wer umzukehren versuchte, hatte keine Chance gehabt, mehrere Hundert Menschen waren von der zunehmend panisch vorrückenden Menschenmengezerquetscht worden, und auch auf den Rängen hatte es Tote gegeben.
    Als nach zehn Minuten die Notbeleuchtung aufflackerte, sah alles nach Entspannung aus, einer wenigstens halbwegs geregelten Evakuierung der Betonschüssel, aber als die verbliebenen Zuschauer der Aufforderung des Stadionsprechers folgten, ohne Eile das Stadion zu verlassen, war das Licht erneut ausgefallen. Und diesmal auch das Übertragungsbild.
    Mavie und Philipp saßen wie erstarrt vor dem iPad und blieben sitzen, während die Nachrichtensender versuchten, buchstäblich Licht ins Dunkel zu bringen. Nicht nur im Londoner Stadion, wie sich rasch herausstellte, sondern in der halben Stadt, denn aus zunächst unerfindlichen Gründen war die City der Metropole schlagartig von der Stromversorgung abgetrennt worden. Mitten in die versuchte Berichterstattung von BBC und CNN aus dem chaotischen London häuften sich dann die Hiobsbotschaften aus anderen europäischen Großstädten, denn auch Paris, Rom und Berlin meldeten Stromausfälle.
    Wie sich im Lauf der Nacht herausstellte, betraf das Problem ganz Europa, wobei manche Städte nur stundenweise im Dunklen saßen, andere, vor allem in den Niederlanden, Belgien, England und Norddeutschland, fast die ganze Nacht.
    Mavie telefonierte mit Edward. Der sie beruhigte, ihm ginge es gut. Sein Dieselgenerator erzeugte ausreichend Strom, was allerdings den für ihn unangenehmen Nebeneffekt hatte, dass etliche Nachbarn sich bei ihm eingefunden hatten und nun fünfzehn Männer und Frauen in seinem Wohnzimmer die Weltlage diskutierten, während acht kleine Kinder seelenruhig in seinem Bett und dem Gästebett schliefen.
    Seine Vermutung, die Stromausfälle müssten mit dem nun seit Wochen andauernden Regen zusammenhängen, bestätigten die Nachrichtensender im Lauf der Nacht. Aus Regionen, in denen die Strom- und Telekommunikationsnetze noch funktionierten, wurden etliche Experten zugeschaltet, die Auskunft gaben und dem staunenden Publikum erklärten, die zunehmend komplizierte Vernetzung der europäischen Stromversorgung reagiere offenbar sensibler auf gleichzeitige Ausfälle von Leitungen und Umspannwerken, als man gedacht hatte. Man werde die durch dieÜberschwemmungen speziell der küsten- und flussnahen Gebiete entstandenen Überlandleitungsprobleme zwar in den Griff bekommen, nur werde es sicherlich einige Tage dauern, ganz Europa wieder zuverlässig und rund um die Uhr mit Strom und Licht zu versorgen. So lange werde man sich bedauerlicherweise behelfen müssen, auch ohne Geldautomaten, Handys, Ampeln und Tiefkühltruhen. Der Zustand werde jedenfalls nicht von Dauer sein.
    Die drängenden Fragen der Berichterstatter, wie so etwas möglich sei, wer versagt habe, wer verantwortlich sei für dieses Desaster, beantworteten die Pressesprecher der großen Versorger unisono und unisono vergrätzt mit der Erklärung, kein Mensch habe eine Naturkatastrophe wie die, die man gerade erlebte, vorhersehen können. Das System sei ausgeklügelt, belastbar und gewährleiste eine fast 99-prozentige Versorgungssicherheit im gesamten europäischen Raum, aber wollte man zukünftig hundertprozentige Sicherheit, und das möglichst auch noch im Fall eines von niemandem vorhersagbaren wochenlangen Monsunregens über Nordeuropa, müsse man sich auf mindestens doppelt so hohe Energiepreise einrichten. Sie blieben sich treu. Selbst in der Stunde der größten Not bereiteten sie die Öffentlichkeit auf die nächste Preiserhöhungsrunde vor.
    Als das gesamte Milett’sche Team sich um sechs zu Kaffee und Croissants im Salon einfand, stand der Flachbildschirm prominent am Kopfende des Tisches, die Runde beherrschend, als Vortragsredner und Stichwortgeber für die kurzen Gespräche der Anwesenden. Theo bot zum Kaffee jedem der übermüdeten Mitstreiter seines Herrn und Meisters eine oder zwei weiße Pillen an, Milett kommentierte launig und erstaunlich wach, Modafinil sei in den meisten europäischen Ländern schon seit 2005 zugelassen und falle nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz. Was Narkoleptikern recht sei, könne ihnen nur billig sein, und er wollte nicht erleben, dass Mitglieder seiner Mannschaft beim bevorstehenden Diskussionsmarathon in Genf auf dem Tisch einschliefen.
    Alle

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