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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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hatte man sich wieder einmal, wie schon Anfang des Jahrtausends, kollektiv von jeder kritischen Vernunft verabschiedet, um die gemeinsam verabschiedete Vorgehensweise nicht infrage stellen zu müssen? War die Prometheus -Prognose tatsächlich keinen Deut besser oder wahrer als Manns berüchtigte Hockeyschlägerkurve, der »Beweis«, dass allein das menschengemachte CO 2 für die Erderwärmung verantwortlich war, eine Kurve, die so makellos und furchterregend aussah, dass lange Jahre niemand auf die Idee gekommen war, dass sie auf Berechnungsfehlern beruhte?
    Die Maschine machte einen Satz nach links, und Mavie musste das iPad mit beiden Händen daran hindern, sich auf den Boden zu werfen. Sie legte das Gerät neben sich auf den Boden vor Philipps Sitz, warf einen Blick nach vorn, durch die geöffnete Cockpit-Tür, und sah ihn zwischen den Piloten stehen, ein klobiges Satellitentelefon am Ohr.
    Nicht einmal das blieb ihr. Nicht einmal Telefonate. Der Gedanke erwischte sie kalt: kein Telefonat mit Helen.
    Keine Chance, die Freundin anzurufen und ihr zu berichten, in was für einer völlig absurden und bescheuerten Situation sie sich befand. Keine Chance auf alberne Bemerkungen, auf fröhlichen Sarkasmus, auf Helens Lachen, auf ihr Credo: Das Leben ist ja wohl schon ernst genug, das können wir doch nicht auch noch ernst nehmen!
    Nie wieder.
    Das war der Moment, in dem ihr das Schaukeln und Springen der Maschine plötzlich nicht mehr bedrohlich vorkam, sondern nur noch lächerlich. Wovor hatte sie Angst? Vor dem Sterben? Vermutlich. Aber Sterben musste sie sowieso, früher oder später, und ein Flugzeugabsturz versprach doch wenigstens einen raschen Tod. Man würde sie nach dem Aufprall nicht reanimieren können. Man würde ihr keine Chemotherapie anbieten. Oder zwei Beinprothesen, einen Rollstuhl und einen künstlichen Darmausgang. Sie würde tot sein, ganz einfach. Aber wieso sollte sie Angst vor etwas Unvermeidlichem haben? Langsam zu sterben, das war etwas, was einem Furcht einflößen konnte, aber Totsein?
    Der nächste Schlag erschütterte die Maschine, und als Mavie aus ihren Gedanken zurückfand in die Wirklichkeit, ließ Philipp sich neben ihr in den Sitz fallen, mit einem erschöpften Ächzen. Er schnallte sich an, dann warf er ihr einen besorgten Blick zu. »Das wird gleich ein bisschen holprig«, sagte er. »Spucktüte?«
    Sie schüttelte den Kopf und spürte jetzt, dass der Luftdruck in der Kabine zunahm. Die Maschine befand sich im Sinkflug, und der Pilot hatte es offenbar eilig, herunterzukommen. »Geht schon.«
    »Tut mir leid«, sagte er und verstummte kurz, als einige schwere Schläge die Maschine kreuz und quer schüttelten. »Ich hab’s noch mal versucht, vorn, bei den Jungs, aber Hamburg ist Quatsch. Die Stadt ist dicht, wir würden ewig brauchen raus nach Blankenese, und mit dem Auto kommen wir eh nicht mehr runter zum Fluss.«
    Mavie sah aus dem Fenster. Die dichte Wolkendecke kam rasch näher, von unten her, und im nächsten Augenblick fielen sie hinein in die graue Watte. Für einen Augenblick wurde es verblüffend still, dann erwischte ein neuer Luftschlag die Maschine von unten, und Sekunden später wehten Regen und Hagel senkrecht an ihrem Fenster vorbei.
    »Hast du was erreicht?«, rief sie durch den Lärm.
    »Alles«, sagte er. »Dein Leibwächter hat ’ne Menge gelernt von dem Arschloch. Hat selber ein paar Firmen auf den Bahamas, es wird nicht leicht, die Kohle zurückzukriegen.«
    Sie schwieg.
    »Haben wir irgendeinen Grund, dem zu vertrauen?«
    »Nein«, sagte sie kopfschüttelnd.
    Er nickte. »Dachte ich mir. Wir haben nur keine andere Wahl?«
    Sie nickte.
    »Sollte das in die Hose gehen, schuldest du mir nicht nur ein Abendessen, sondern ungefähr 10 000.«
    »Ich kann ganz gut kochen.«
    »Super. Vegetarisch?«
    »Für zehn Millionen grill ich dir sogar ein Kobe-Rind.«
    »Ich erinnere dich dran.«
    Mavie sah aus dem Fenster nach unten und hatte das dumme Gefühl, in einer Waschmaschine zu sitzen. Gottlob noch nicht im Schleudergang, denn oben war noch oben und unten unten, aber die Trommel bewegte sich in unregelmäßigen Schwüngen hin und her, und sie schwappte wie in einer kleinen Blechdose mitten in viel zu viel aufgeschäumtem Wasser. Unter sich erkannte sie die Autobahn nach Süden und darauf eine endlose Schlange kleiner grauer Fahrzeuge.
    »Die Brücke ist weg«, rief Philipp von der anderen Seite.
    Sie wagte es nicht, sich abzuschnallen, aufzustehen und durch eines der

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