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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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wirklich?«
    »Ja.«
    »Nicht dein Ernst.«
    »Doch.«
    Natürlich verstand sie seine Überraschung. Das IICO , das International Institute for Climate Observation, war nicht mehr als ein Gerücht, sogar in ihren Kreisen, denen der Klimaforscher und Geoingenieure. Alle redeten seit Jahren darüber, aber niemand wusste Genaues über das Projekt, selbst der Name konnte ein bloßer Platzhalter sein. Man hörte dies und jenes, von einem geplanten Start, dann wieder von Absagen und fehlenden Mitteln, als Nächstes hieß es, das Projekt laufe bereits, mal auf Hawaii, mal in Indonesien, mal auf den Kanaren, mal mithilfe der US -Regierung, mal mit Unterstützung von E.ON , Iberdrola, SSE , GE oder des NASP -Konsortiums, mal dank angeblicher heimlicher Spendenmilliarden von Gates, Buffett oder der Lovelock-Foundation.
    Auch Mavie wusste erst seit drei Wochen, dass IICO kein Hirngespinst war.
    »Wie jetzt?«, fragte Daniel, und falls er Sekunden vorher noch den Plan gehabt hatte, sich in ihrer letzten Nacht in Hamburg aufeinen späten Kaffee einzuladen, hatte er jetzt ein noch interessanteres Thema gefunden. »Wer? Wieso? Und wie kommst du …?«
    »Eisele hat mich angerufen.«
    Daniels Augen wurden noch ein bisschen größer. »Eisele hat dich angerufen.«
    »Ja.«
    »Okay.« Er nickte, und Mavie las seine Gedanken.
    »Warum mich? Gute Frage. Keine Ahnung.«
    »Na ja, so wie der dich schon damals immer angeguckt hat, ich meine, ich versteh’s ja, versteh mich nicht falsch …«
    »Vielen Dank. Du meinst, der hat mich nur angerufen, weil er mich irgendwie sexy findet, ja?«
    Sie hatte den richtigen Ton getroffen, um diesen Teil der Erklärung umgehend zu versenken, denn natürlich schüttelte Daniel den Kopf und ruderte zurück. »Nein, natürlich nicht, also, er wird schon wissen, dass du gut bist, also, anders gut, ich meine, fachlich.«
    Und in seinen Augen stand stumm und vorwurfsvoll die Feststellung: Wir waren beide brillant. Wir beide waren seine besten Studenten in den Kursen, die er damals gegeben hat, in diesem einen Jahr. Warum du? Warum nicht ich?
    Sie hätte antworten müssen: Weil du ein Mann bist. Und weil Fritz Eisele auch einer ist. Und auf Frauen steht. Und zwar offensichtlich besonders auf hübsche, junge, blonde Frauen mit großer Klappe und guter Figur. Und sofern die dann auch noch brillante Studentinnen sind – hast du nicht den Hauch einer Chance.
    Stattdessen sagte sie: »Eben.«
    Er schwieg einen langen Augenblick. »Ist der auch da?«
    »Am IICO ?«
    Er nickte.
    »Nein. Zu beschäftigt damit, die Welt zu retten. Er hat mich nur empfohlen, er kennt den Institutsleiter.«
    »Und wer ist das?«
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Glaub mir, schon dafür, dass ich dir gesagt habe, wohin ich gehe, können die mich in hohem Bogen feuern.«
    »Schweigegelübde?«
    »Bei Zuwiderhandlung ewige Verdammnis.«
    »Und du bist sicher, dass du den Job nicht noch im letzten Moment einem guten Freund überlassen willst – fachlich in deiner Liga, aber on top mit Nerven aus Stahl?«
    Sie lachte.
    Er lächelte und nickte. »Na, fein. Dann nicht. Selber schuld. Aber da ich jetzt sowieso weiß, wo du bist: Melde dich.«
    »Mach ich.«
    »Die Bücher und die Matratze hole ich morgen ab. Ich lass dann den Schlüssel auf dem Tisch liegen.«
    »Übermorgen reicht. Der Vermieter kommt erst Freitag.«
    Er nickte. »Pass auf dich auf, Mavie.«
    »Mache ich. Du auch«, sagte sie, öffnete die Autotür und stieg aus.
    Sie winkte ihm noch einmal zu, als er den Wagen wieder in Gang setzte und losfuhr, dann zog sie ihren iAm heraus und hielt ihn vor den Scanner neben der Haustür. Ein halbes Dutzend Mücken stieg unter der Scanner-Abdeckung auf, und Mavie erwischte zwei mit der Linken und zerquetschte sie. Verärgert runzelte sie die Stirn. Ein, zwei Nächte Frost würden doch reichen, um den Viechern den Garaus zu machen. Und das war doch wohl nicht zu viel verlangt, erst recht nach den zurückliegenden zwei warmen Wintern. Konnte sich das Wetter nicht wenigstens für einige Nächte wieder ein Vorbild nehmen an den ersten zehn Jahren des 21. Jahrhunderts, den vernünftigen Jahren? Nicht nur wegen der Mücken.
    Aber als sie sich gerade vorstellte, wieder einmal eine halbwegs kühle Nacht bei weit offenem Fenster durchzuschlafen, fiel ihr ein, dass sie gerade auf dem Weg war, zum letzten Mal in der Wohnung zu schlafen, die sechs Jahre lang ihr Zuhause gewesen war.
    Sie würde eine ganze Weile auf die nächste kalte Nacht warten

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