Prophezeiung
ein offensichtlich in seinem Stolz getroffener, eitler alter Nobelpreisträger aus dem Stegreif zusammengeschustert hatten? Sie konnte sich nicht derart vollständig in Eisele getäuscht haben, unmöglich.
»Prioritäten«, sagte Milett. »Nichts für ungut, Mademoiselle, Monsieur, Prioritäten. Sobald wir die Daten und das Programm von Ihrem Informanten haben, bereiten wir den morgigen Abend vor. Es geht nicht nur um eine persönliche Vendetta, es geht primär darum, eine drohende Katastrophe abzuwenden.«
Mavie schaffte es, sich einen spöttischen Laut zu verkneifen. Die drohende Katastrophe interessierte Milett immer noch nur mäßig, ganz offensichtlich war es die Aussicht auf seine persönliche Vendetta, die ihn elektrisierte.
»Mademoiselle«, sagte er und klang jetzt wach, angriffslustig und ganz wie ein Feldherr, der für eine gute Sache in die Schlacht zu ziehen bereit war, »wir werden die Welt aufrütteln. Die Gemeinschaft der Staaten notfalls zwingen, ihrer humantitären Aufgabe nachzukommen. Und wir werden, das verspreche ich Ihnen, sogar einen Weg finden, das prognostizierte Schreckensszenario zu verändern. Sofern Ihr Prometheus recht hat, sofern vor allem die Sonne unser Problem darstellt, haben wir darauf eine Antwort.«
Seine Worte hallten in dem großen Raum nach.
Es fehlte lediglich der Applaus, aber Mavie meinte fast, auch den zu hören.
»Und jetzt«, sagte Milett nach einer angemessenen Kunstpause, »gestatten Sie mir, dass ich meinen Pflichten nachkomme.« Er ging zur Tür. »Die Höflichkeit gebietet, dass ich mich wenigstens für einen Augenblick meinen Gästen widme, den Rest der Nacht werden meine Helfer und ich damit zubringen, den morgigen Tag zu einem erfolgreichen Tag zu machen. Sie betrachten sich bitte als meine Gäste, Theo wird Sie ins Gästezimmer geleiten. Erholen Sie sich von der anstrengenden Reise und der Anstrengung, mich auf Ihre Seite zu ziehen.« Er öffnete die Tür und blieb im Rahmen stehen. »Es ist Ihnen gelungen«, sagte er lächelnd. »Nun sammeln Sie neue Kräfte. Bonne nuit. «
Er ließ die Tür offen stehen. Seine Schritte hallten über den Marmor, dann hörten Mavie und Philipp, wie er die Tür zum Salon öffnete. Eine Frau lachte schrill, eine andere, vermutlich Helena, gab gespielt beleidigte Laute von sich, dann verstummten beide, als die schwere Tür wieder zufiel.
Mavie spürte Philipps Blick. Sie stand auf. Sie zog es vor, ihn nicht anzusehen. Sie wusste, was er sie fragen wollte, und sie wollte die Frage nicht hören.
Erleichtert hörte sie, dass die Tür zum Salon wieder geöffnet wurde. Theos Schritte, leise und kürzer als die seines Herrn, erklangen vom Flur, dann stand der Butler in der Tür zur Bibliothek und verneigte sich leicht. »Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Mavie nahm ihre Tasche vom Sofa, betrachtete kurz das Loch in der Außenseite der Lehne, das erheblich größer war als das an der Innenseite, und folgte Theo aus dem Raum.
»Gestatten Sie, dass ich vorangehe«, sagte er am Fuß der Treppe, wartete die Antwort nicht ab und setzte sich in Bewegung.
Mavie folgte ihm, Philipp blieb stehen. »Ich bin gleich da«, sagte er. »Meine Tasche ist noch im Wagen.«
Theo nickte. »Sicher, Sir. Ich lasse Sie gleich wieder herein.«
[Menü]
24 Mavie folgte dem Butler über die breite Treppe nach oben. Zur Linken und zur Rechten führten jeweils drei Türen vom Flur ab, geradeaus eine weitere. Theo wandte sich nach rechts, ging an der ersten Tür vorbei und öffnete die zweite. Er schaltete das Licht ein und trat zurück in den Flur. »Bitte, Madame. Falls Sie irgendetwas benötigen, zögern Sie nicht, mich zu rufen. Ein Telefon steht auf dem Nachttisch, wenn Sie die 4 wählen, erreichen Sie mich direkt.«
»Danke, Theo«, sagte sie und betrat den Raum.
Er zog die Tür leise hinter ihr ins Schloss, während sie über den Parkettboden auf die Fensterfront zuging, vorbei an einem großen Bett, einem Rahmen aus schwarz lackiertem Holz mit einer breiten Kopflehne aus dunkelgrauem Leder. Der ganze Raum war schlicht und elegant eingerichtet, in Schwarz, Grau und Weiß, abgesehen von zwei Klecksen an den Wänden, einem überwiegend blauen Ölgemälde und einem überwiegend grauen Acrylbild.
Zwei graue Ledersessel standen neben einem kleinen Kamin, und Mavie sah gleich wieder weg und durch die Sprossenfensterwand hinaus auf das Meer, das kaum zwanzig Meter unter der Villa gegen die Felsen des Cap Ferrat brandete.
Durch das feine
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