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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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blendeten langsam die dazugehörigen Worte auf.
    Save. Our. Souls.
    Kleiner, handschriftlich, darunter: Kommando Diego Garcia.
    Was den knapp fünfzehn Minuten nach diesem Intro folgte, war so grauenhaft gut gemacht, dass Thilo die ganze Zeit über erstarrt in der Diele stand und wie die anderen Gaias vollkommen gebannt zusah. Diego und seine Mitstreiter hatten ganze Arbeit geleistet. »Save Our Souls (Pt.1)« war ein nach allen Regeln der Werbe- und Präsentationskunst gestalteter Horrorclip.
    Die Musik blieb durchgehend bedrohlich, die ersten Bilder stimmten auf die Verschwörungstheorie ein. Luftaufnahmen des IICO , das kurzerhand zur geheimen Forschungseinrichtung des Pentagon erklärt wurde, eine Aufnahme des Genies Gerrittsen, derzeit untergetaucht, eine Reihe von Kürzeln, durch den leeren Raum fliegend, CIA , NSA , Mossad, MI 6, die üblichen Verdächtigen. Danach bestand der Clip vorwiegend aus Zahlen und Screenshots – Becks Screens. Eingeblendet wurden Prognosen für bestimmte Daten, Temperaturen, Wind, einfache Faktoren, und unter der Prognose erschien die jeweils tatsächlich gemessene Temperatur oder die Windstärke für die ausgewählten Orte. Über die Google-Erde zoomte es hin und her, hinauf ins All und wieder hinunter, von Paris nach Kairo, von Istanbul nach Beijing, von Caracas nach Marrakesch, und jedes Mal deckten sich die Prognosezahlen mit den tatsächlich gemessenen Werten. Der Sprecher musste nicht viele Worte machen, denn das ließ sich beeindruckend einfach darstellen: Die jeweilige Prognosezahl verschmolz sanft aufleuchtend mit der jeweils neu auftauchenden tatsächlichen Zahl, und der Beweis war, zumindest optisch, schnell erbracht: Das Programm lieferte absolut zuverlässige Werte.
    Es folgten aktuelle Bilder. Bilder des verregneten Nordens, aus Europa und den USA , Thermometer, die zwanzig Grad und mehr anzeigten. Weitere Zahlen, die unterstrichen, dass Prometheus auch dies vorhergesagt hatte, die Entwicklungen der letzten Tage und Wochen. Es folgten mehr Bilder, die aktuell aussahen, aber nach Thilos Ansicht nicht aktuell waren: dürre schwarze Menschen, die um Wasser bettelten. Sterbende Kinder mit Fliegen in den Gesichtern. Wüste. Mehr Zahlen, die miteinander verschmolzen. Zahlen für kommende Tage, scheinbar zufällig ausgewählt. Überblendung aus den Gesichtern der Verdurstenden in die gnadenlos herunterbrennende Sonne. Mehr Zahlen. Beeindruckende Zahlen, die ohne weitere Erläuterungen auskamen, da sie für sich sprachen und dem Betrachter immer dasselbe sagten: Das Ende der Welt ist nah.
    Das Ende des Clips bildete eine bunt durcheinandergeblendete Zusammenstellung von Formeln, Gesichtern und kurzen Zitaten. Thilo erkannte einige seiner eigenen Berechnungen wieder, die niemand würde nachvollziehen können – aber das war auch nicht die Absicht der Filmemacher. Die Formeln suggerierten lediglich unterschwellig, dass Wissenschaftler etwas bewiesen hatten, was andere längst vorhergesagt hatten. Denn die Gesichter und Zitate zu den Bildern von Überschwemmung und Dürre waren die von Maya-Priestern, von Nostradamus und, ausgerechnet, Al Gore. Als stünde auch der hinter der Aussage: Die Welt geht unter.
    Selbst Analphabeten und Taube mussten nach den fünfzehn SOS -Minuten begriffen haben, dass alles ganz einfach war. Die Sonne brennt, du wirst sechs Monate kein Wasser haben, du bist tot. Das Wasser überschwemmt alles, die Versorgung bricht zusammen, du kämpfst gegen ein paar Millionen anderer Bewohner deiner gesetzlosen Metropole um Essen und Strom. Wenn du nicht ertrinkst, wirst du erschlagen oder verhungerst.
    Es war alles ganz einfach. Ohne Zweifel. Ohne Worte.
    Im doppelten Sinn, jedenfalls für Beck. Denn natürlich fehlten alle Fragezeichen. Die hatten in diesem Keynote-Propagandastück nichts verloren. Ebenso wenig wie alles andere, was wichtig gewesen wäre.
    Der Clip endete mit einem Mollakkord. Sowie, unfassbar für Thilo, einem aus großen Lettern gebildeten Move!, das sich zu move-gaia.net entwickelte. Danach wurde der Schirm schwarz, und Thilo stand fassungslos im Applaus und Johlen der Gaias. Schultern wurden beklopft, man nahm sich in die Arme, beglückwünschte sich gegenseitig – und Diego stand zufrieden mittendrin im Kreis seiner medialen Guerillas.
    Beck rang um Fassung. Er hätte die versammelten Schwachköpfe am liebsten angeschrien, aber er wusste, dass das nichts nützen würde. Sofern er eine Chance haben wollte, den angerichteten Schaden

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