Prophezeiung
wenigstens zu begrenzen, brauchte er ihre Hilfe. Sofern der Schaden überhaupt noch zu begrenzen war.
Diego wandte sich ihm zu, lächelnd. »Und?«, fragte er. »Zufrieden mit dem ersten Teil? Die Details liefern wir natürlich nach, aber auch Ansgar und Oskar können nicht zaubern.«
Beck lächelte ebenfalls. »Doch«, sagte er nickend. »Sehr schön. Beeindruckend.« Die Versammlung murmelte zufrieden vor sich hin, offenbar freute man sich über die Zustimmung des Boten und Fachmanns. »Ich glaube aber«, sagte Beck vorsichtig, »wir sollten doch noch mal drübergehen.«
Es wurde schlagartig sehr still in der Diele.
»Drübergehen?«, fragte Diego, weiterhin lächelnd. »Sei versichert, Kamerad, dass wir an den Details weiter arbeiten und Updates ins Netz stellen, aber zunächst einmal war es doch von größter Bedeutung, die Welt von der drohenden Katastrophe in Kenntnis zu setzen.«
»Na ja«, sagte Beck vorsichtig und weiterhin betont höflich, »sieh mir einfach nach, dass ich Wissenschaftler bin. Als solcher kann ich mit einer Boulevard-Darstellung wie der da«, er deutete auf den schwarzen Schirm, »wenig oder gar nichts anfangen. Mag ja sein, dass die Daten prinzipiell …«
Diegos Blick veränderte sich schlagartig, als Beck Boulevard sagte, aber er sah kurz zu Paulina herüber, ehe er den Kameraden unterbrach. Seine Stimme klang nicht mehr ganz so sanft wie zuvor. »Gut«, sagte er, »wir legen auch in Kriegszeiten Wert auf offenen Meinungsaustausch, und du wirst, wie wir alle, zu gegebener Zeit deine Einwände vortragen können. Jetzt allerdings ist nicht die Zeit für kleinliche Erörterungen der exakten Wortwahl, denn jetzt …«
»Es geht nicht um die Wortwahl«, unterbrach Beck den Gaia-General, »es geht um den verdammten Inhalt deines zusammengestoppelten Filmchens. Und es geht um die Folgen.«
Seine Worte hallten in der Diele wider. Niemand sprach, niemand atmete. Und Beck spürte, wie Paulina seinen Unterarm sehr fest drückte.
»Die Folgen?«, fragte Diego, jetzt sehr laut und ganz und gar nicht mehr freundlich. »Die Rettung Unschuldiger? Ist es das, was dir missfällt? Sollte deine Schwester sich getäuscht haben, wie ich von Anfang an vermutete? War es nicht deine Absicht, diese Informationen in die Welt zu tragen?«
»Mann, jetzt komm mal wieder …«
»Erweist sich nun doch meine Vermutung als richtig, dass du kein Bote bist, der dieser Bande von Mördern den Rücken gekehrt hat, dass du, im Gegenteil, diese Informationen zurückgeholt hast aus den Händen von Menschen, die sie der Welt zur Kenntnis bringen wollten?«
Beck versuchte es noch einmal mit einem beschwichtigenden »Nein, ich …«, aber Diego ließ sich nicht mehr bremsen.
»Niemand hält die Wahrheit jetzt mehr auf, mein Freund. Du nicht, deine Auftraggeber nicht, nicht einmal wir, denn dieser Clip geht um die Welt wie ein Lauffeuer. Die Wahrheit ist im Licht, für jedermann zu sehen, und ich rate dir dringend, nun endlich deinen Platz auf der richtigen Seite einzunehmen.«
»Mann!«, sagte Thilo etwas zu laut und fühlte erneut Paulinas festen Griff an seinem Unterarm. »Es geht um Vernunft. Du kannst doch nicht einfach in die Welt rausbrüllen, ihr müsst alle sterben! Denk doch mal nach, Mensch, nachher glauben die Leute das noch, und was dann?!«
Diego fuhr seinen Zeigefinger in Becks Richtung aus und bellte zurück: »Wir führen ein Gespräch, Kamerad, wenn du dich erholt hast. Paulina wird dich weiter pflegen, aber versteh Gastfreundschaft nicht als Einbahnstraße!«
Paulina zog Thilo energisch zurück in Richtung Haustür, begleitet von den teils wütenden, teils mitleidigen Blicken der Gaias.
»Denk nach, Mensch«, sagte Thilo noch einmal über die Schulter in die Diele, dann fiel die Tür laut hinter ihm und Paulina zu, und beide standen im Regen auf dem Hof.
»Sag mal, bist du völlig bescheuert?«, zischte sie ihn an.
» Ich? Wer ist hier bescheuert?«
»Du. Du kannst doch nicht wollen, dass die Wahrheit …«
»Welche Wahrheit?« Thilo deutete hilflos auf die geschlossene Tür zur Diele. »Das ist eine Prognose, verdammt.«
»Eine sehr, sehr exakte Prognose«, sagte sie.
»Die exakteste, die es ja gab«, sagte er. »Aber das ändert nichts daran, dass es eine Prognose ist …«
»Hör auf mit dem akademischen Dünnschiss.« Sie schaffte es tatsächlich, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen, ihm fehlten für einen Augenblick die Worte. Dafür fand sie noch einige. »Das ist deine Krankheit,
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