Prophezeiung
tief Luft.
»Ich auch«, sagte sie.
Miletts Reaktion überraschte sie. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er dieses Geständnis einfach zur Kenntnis nehmen würde, dennoch hatte sie auf interessiertes Staunen gehofft, auf eine höfliche Nachfrage, auf die Gelegenheit, sich zu erklären. Aber Milett schaffte es binnen Sekundenbruchteilen, alle Güte, alle Vorfreude aus seinen Zügen zu verjagen und durch makellosen Zorn zu ersetzen. Seine flache Hand knallte laut auf die Tischplatte, das Porzellan machte einen erschrockenen Satz, und Mavie zuckte ebenfalls zusammen.
»Genug!«, sagte Milett sehr laut und energisch. »Genug von Ihren dummen Spielchen. Sie halten große Reden, Sie bedrohen mich mit einer Waffe, in meinem eigenen Haus, und ich verstehe das als Ausweis Ihrer Ernsthaftigkeit! Ich warne Sie! Kommen Sie mir jetzt nicht mit weiteren Dummheiten oder einem Augenaufschlag, sagen Sie nicht, Sie hätten nichts! «
»Ich habe …« Mavie versuchte es ohne Augenaufschlag. »Wir haben ja was, aber ich habe nicht alle Daten …«
»Was heißt, Sie haben nicht alle Daten? Sie haben mir alle Daten zugesagt!«
»Ich konnte gestern noch nicht wissen, wie sich die Dinge entwickeln …«
»Sie konnten nicht wissen, dass ich eine Pressekonferenz anberaume? Sie konnten nicht wissen, dass ich die angesehensten Korrespondenten auffordere, sich heute Abend hier einzufinden, auch wenn sie dafür aus London oder Paris einfliegen müssen?«
»Mr Milett …«
»Sie konnten das nicht wissen, obwohl ich es Ihnen gesagt habe? Was stimmt nicht mit Ihnen? Was stimmt nicht mit Ihren Ohren? Was stimmt nicht mit Ihrem Gehirn?«
»Unser Informant …«
»Raus«, sagte Milett einfach.
Mavie sah ihn ungläubig an.
Milett hatte den Arm ausgestreckt, in Richtung Tür. »Nein«, sagte er. »Keine Diskussion. Verlassen Sie mein Haus. Wenn Sie in fünf Minuten nicht weg sind, rufe ich die Polizei.«
Mavie sah Philipp an, aber Philipp holte bloß tief Luft und zuckte entschuldigend die Achseln. Was hast du erwartet? Dann stand er auf. Im gleichen Moment, in dem Theo durch die offene Doppeltür in den Salon trat, einen Laptop wie ein aufgeschlagenes Buch auf dem rechten Unterarm tragend.
»Sir«, sagte er vollendet höflich.
»Gleich, Theo«, sagte Milett, ohne ihn anzusehen. »Raus«, sagte er zu Mavie, die noch immer saß.
»Ich denke, Sir«, sagte Theo, »das sollten Sie sich ansehen.«
Der Hausherr war erkennbar verwundert über die höfliche Impertinenz seines Butlers – so verwundert, dass er nicht einmal anfing zu brüllen, als Theo mit der Linken Miletts Frühstücksteller beiseiteschob und den Laptop vor ihm auf das weiße Tischtuch stellte.
Mavie sah, wie der Butler auf eine Taste drückte und höflich einen Schritt zurücktrat, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und hörte aus den Lautsprechern des Laptop einen düsteren Syntheziser-Mollakkord erklingen. Philipp trat einen Schritt nach links und spähte Milett über die Schulter.
Als der Sprecher seinen Vortrag begann, mit der Ankündigung der » IICO -Conspiracy« und der bevorstehenden planetaren Katastrophe, sprang Mavie auf und eilte an Miletts Seite. Der Nobelpreisträger würdigte sie keines Blickes, verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf das Display.
Sie alle sahen schweigend zu. Hörten die Geschichte, die sie längst kannten, sahen die Zahlen, die sie längst kannten, und ließen sich versichern, die Prognose beruhe auf Daten, die nicht infrage gezogen werden konnten – Daten, die den Urhebern desClips, dem Kommando Diego Garcia, vollständig vorlägen. Unterlegt von reihenweise Prometheus -Screenshots, die Mavie als authentisch wiedererkannte, malte der Sprecher mit sonorer, sachlicher Stimme den Teufel an die Wand, und als die Animationen begannen, die Nostradamus, Maya-Wissen und Johannes-Offenbarung logisch verknüpften, klingelte Mavies Handy.
Sie zog den Apparat aus der Tasche und drückte auf Empfang, ohne auf das Display zu sehen. »Ja?«
»Thilo hier«, hörte sie Becks müde Stimme. »Du warst auf meinem Band, also lebst du, und das freut …«
»Thilo! Gott sei Dank!« Sie jubelte so laut, dass die drei Männer sie indigniert ansahen – als hätte sie mitten in der Nobelpreisverleihung einen Anruf ihrer Kosmetikerin entgegengenommen –, aber als sie die Frage hinterherschickte, ob der Film von ihm sei, wandte Milett sich vom Display ab und sah sie mehr als interessiert an.
»Nein«, sagte Beck. »Also, ja, das sind meine
Weitere Kostenlose Bücher