Prosecco um Mitternacht
…
“He, nicht so schnell”, ermahnte er sich, als er Brieftasche und Schlüssel einsteckte und die Wohnung verließ. “Lern die Frau doch erst mal ein bisschen besser kennen. Vielleicht will sie dich auch gar nicht wiedersehen und schon gar nicht heiraten.”
Heiraten …
Selbst in den fünf Monaten mit Janet und ihrem ständigen “Ich warte bis zur Hochzeitsnacht” hatte er nie einen ernsthaften Gedanken daran verschwendet, sie zu heiraten. Sicher, er hatte sich vage ausgemalt, dass sie bestimmt eine gute Ehefrau abgeben würde. Aber zu keinem Zeitpunkt hatte er das Gefühl gehabt, ohne sie nicht leben zu können. Zu keinem Zeitpunkt hatte ihn der Gedanke, sie nicht sehen zu können, verrückt gemacht.
Bei Renae hingegen …
Die Härchen auf seinem Arm richteten sich auf. Wieso hatte er nicht schon vorher erkannt, was sie ihm bedeutete? Wieso hatte er nicht begriffen, dass sie all das hatte, was er von einer Lebensgefährtin erwartete? Hatte der Sex ihn geblendet? Oder dumme Vorurteile? War er zu sehr mit anderen Dingen in seinem Leben beschäftigt gewesen?
Er stieg in seinen Geländewagen und musste sich zusammenreißen, um nicht einfach das Gaspedal durchzutreten. Trotzdem verging die Fahrt rasch, und im nächsten Moment bog er auf den Parkplatz vor dem Laden ein. Renaes pinkfarbener Cadillac stand dort wie ein Neonzeichen. Will nahm den ersten freien Parkplatz, den er fand, stellte den Motor aus und … erstarrte. Denn jetzt erst wurde ihm klar, was Colin gesagt hatte.
“Ich würde jetzt nichts überstürzen, mein Freund. Sie macht …”
Was?
Will hatte einfach aufgelegt und Colin nicht aussprechen lassen.
Er nahm eine Bewegung vor dem Laden wahr und beobachtete, wie eine junge Frau sich der Tür näherte. Sie hielt ihre Handtasche ängstlich umklammert. Renae persönlich begrüßte die neue Besucherin mit einem freundlichen Lächeln.
Wills Herz zog sich zusammen. Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte erneut Colins Nummer. “Was wolltest du sagen?”
“Dir ist klar, dass ich auch etwas zu tun habe, oder? Um genau zu sein, ich habe einen Beruf, um den ich mich kümmern muss und zu dem Patienten gehören, die solche Unterbrechungen überhaupt nicht schätzen.”
Will gestikulierte ungeduldig mit der freien Hand. “Also?”
“Also, was ich sagen wollte, bevor du das Gespräch so rüde unterbrochen hast, war, dass ich nicht glaube, dass Renaes derzeitiger Gemütszustand dem förderlich ist, was immer …, na ja, was immer du vorhast.”
“Sprich weiter.”
“Sie hat gerade einen wichtigen Karriereschritt gemacht, der ihr sehr viel Arbeit beschert. Außerdem hat sie ihre Wohnung verloren und schläft auf Luckys Couch.”
“Dann dürfte meine Bitte, dass sie bei mir einzieht, ja sämtliche ihrer Probleme auf einen Schlag lösen.”
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
“Großartig. Danke.”
“Will?”
Er widerstand dem Impuls, das Gespräch erneut zu unterbrechen, hatte die Hand aber schon auf dem Türgriff. “Was?”
“Mein Rat an dich lautet weiterhin, behutsam vorzugehen.”
“So wie du bei Lucky?”
“Lucky und ich sind immer noch nicht verheiratet, nicht einmal verlobt, obwohl ich mir beides sehr wünsche.”
Will hatte Mühe, diese Pille zu schlucken.
“Verstehst du, was ich meine?”
“Und wie”, knurrte Will.
“Geh es behutsam an. Wenn du mit gezückter Waffe in den Laden marschierst und sie überfällst, schießt sie womöglich mit einer Munition zurück, mit der du nicht gerechnet hast.”
Will rieb sich murrend den Nacken. “Redest du so auch mit deinen Patienten? Dann wundert es mich, dass du überhaupt eine Praxis hast.”
Colin lachte leise. “Das heißt also, du hast begriffen, was ich meine. Gut.”
“Ist das alles?”
“Ja, ich denke, im Wesentlichen schon.”
Will wollte die Verbindung beenden.
“Ach, eines noch.”
Will schloss die Augen und fluchte leise.
“Viel Glück, Kumpel.”
“Glück hat überhaupt nichts damit zu tun. Es hängt alles vom Geschick ab.”
Und von Geduld.
Dummerweise hatte er schon hinreichend bewiesen, dass er davon nicht allzu viel besaß.
“Ist das Will?”
Renae unterbrach ihr Vorstellungsgespräch mitten im Satz und erstarrte bei Luckys Worten. Sie sah zu ihrer Freundin und folgte ihrem Blick zum Schaufenster. Tatsächlich stand draußen, am anderen Ende des Parkplatzes, ein Geländewagen, der genauso aussah wie Wills.
Ihr Magen zog sich zusammen. Erst recht, als der
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