P.S. Ich liebe Dich
sondern ein dickes braunes Päckchen. Die Adresse war auf einen Aufkleber getippt, also konnte man den Absender nicht an der Handschrift erraten. Aber über der Adresse standen dick und fett zwei Worte: Die Liste.
Ihr wurde flau im Magen. Wenn das Päckchen nicht von Gerry stammte, dann musste sie die Tatsache akzeptieren, dass er nicht mehr da war, endgültig verschwunden aus ihrem Leben.
Mit zitternden Fingern riss sie den Klebestreifen auf. Dann drehte sie das Päckchen um und schüttelte den Inhalt auf ihren Schoß. Heraus kamen zehn einzelne kleine Umschläge, wie man sie manchmal mit einem Blumenstrauß bekommt, und auf jedem davon stand ein Monat. Ihr Herz setzte ein paar Schläge aus, als sie auf einem Blatt, das unter den Umschlägen lag, die vertraute Schrift erkannte.
Gerrys Schrift.
Fünf
Holly starrte mit angehaltenem Atem auf den Brief. Sie hatte Tränen in den Augen, und ihr Herz klopfte wild. Vorsichtig strich sie mit dem Finger über die Worte. Der letzte Mensch, der dieses Papier berührt hatte, war Gerry gewesen, und er würde nie wieder etwas schreiben.
Meine liebste Holly,
ich weiß nicht, wo und wann Du diesen Brief lesen wirst, ich hoffe nur, dass es Dir gut geht, dass Du gesund und glücklich bist. Du hast mir einmal gesagt, dass Du nicht alleine weiterleben kannst. Du kannst, Holly.
Du bist stark und tapfer, und du wirst das durchstehen. Wir hatten wunderschöne Zeiten zusammen, und Du warst … Du warst mein Leben. Ich bedaure nicht einen Tag.
Aber ich bin nur ein Kapitel in Deinem Leben, und es wird noch viele davon geben. Vergiss unsere gemeinsamen Erinnerungen nicht, aber hab keine Angst, ihnen neue hinzuzufügen.
Danke, dass Du meine Frau gewesen bist. Dafür und für alles andere bin ich Dir ewig dankbar.
Und denk daran: Ich bin bei Dir, wann immer Du mich brauchst.
In Liebe für immer Dein Mann und bester Freund
Gerry
P.S. Ich habe dir eine Liste versprochen – hier ist sie. Die Umschläge müssen genau zum darauf angegebenen Monat geöffnet werden und Du musst genau das machen, was darin steht. Ich beobachte Dich, mir entgeht nichts …
Holly konnte nicht mehr. Trauer überwältigte sie. Doch gleichzeitig fühlte sie sich auch getröstet und erleichtert, denn nun würde Gerry noch eine Weile bei ihr sein. Sie blätterte die kleinen weißen Briefumschläge durch und suchte nach den einzelnen Monaten. Jetzt war es April, aber den März hatte sie verpasst, deshalb nahm sie erst einmal diesen Umschlag zur Hand. Ganz langsam öffnete sie ihn, um jeden einzelnen Moment voll auszukosten. Darin war eine kleine Karte, auf der in Gerrys Handschrift stand:
Auf blaue Flecke kannst du verzichten – kauf dir eine
Nachttischlampe!
P.S. Ich liebe Dich.
Unter Tränen begann sie zu lächeln: Gerry war wieder bei ihr!
Immer wieder las sie den Brief, in dem Versuch, Gerry zum Leben zu erwecken. Schließlich konnte sie die Worte vor lauter Tränen nicht mehr erkennen und blickte hinaus aufs Meer. Schon als Kind war Holly über die Straße an den Strand gelaufen, wenn sie durcheinander war und nachdenken musste, und ihre Eltern wussten immer, wo sie sie suchen mussten.
Sie schloss die Augen und atmete zum sanften, rhythmischen Seufzen der Wellen aus und ein. Es war, als atmete auch das Meer: Mit dem Einatmen zog es das Wasser zu sich und schob es mit dem Ausatmen wieder zurück auf den Sand. Holly spürte, wie sich ihr Pulsschlag normalisierte und sich Ruhe in ihr ausbreitete. Sie dachte daran, wie sie in Gerrys letzten Tagen neben ihm gelegen und auf seinen Atem gelauscht hatte. Am liebsten wäre sie gar nicht mehr von seiner Seite gewichen, denn sie hatte Angst, dass er sie ausgerechnet dann verlassen würde, wenn sie gerade aufgestanden war, um an die Tür oder aufs Klo zu gehen oder sich etwas zu essen zu machen. Wenn sie zurückkam, saß sie immer erst eine Weile stocksteif und ängstlich auf der Bettkante und starrte auf seine Brust, ob sie sich noch hob und senkte.
Aber er hatte sich nicht in ihrer Abwesenheit davongeschlichen. Mit seiner Kraft und seinem Lebenswillen verblüffte er die Ärzte; er war entschlossen, die Welt nicht kampflos zu verlassen. Bis zum Ende behielt er seinen Humor; zwar war er sehr schwach und seine Stimme fast unhörbar leise, aber Holly hatte seine neue Sprache verstehen gelernt wie eine Mutter ihr Baby, das gerade erst sprechen lernt. Bis spät in die Nacht kicherten sie zusammen, dann wieder hielten sie sich in den Armen und weinten. Auch Holly
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