Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Aber er war sicher, dass es reichte.
Rudolfo und Petronus würden den Rest erledigen.
Kapitel 27
Resolut
Ein warmer Frühlingsregen fiel vor den geöffneten Fenstern von Orivs behelfsmäßigem Schreibzimmer. Der entrolusische Aufstand hatte sich immer mehr aufgeschaukelt, und Sethbert hatte darauf bestanden, dass sein Vetter mit ihm in die Stadtstaaten zurückkehrte. Er hatte dem Papst gesagt, dass es die Moral seiner Leute heben und womöglich die Kämpfe unterbinden würde, aber Oriv hatte den Verdacht, dass es eher darum ging, ihn in der Nähe zu behalten, um ihn leichter überwachen zu können.
Also verbrachte Oriv – er nannte sich in Gedanken nicht mehr Papst Resolut – seine Tage damit, an dem kleinen Schreibtisch zu arbeiten und Reden vorzubereiten, deren Worte er nicht glaubte.
Und zu viel zu trinken. Er starrte auf den leeren Becher und griff nach der Branntweinflasche. Seit dem Wintertag, an dem sich Petronus ausgerufen hatte, erwischte sich Oriv immer öfter beim Trinken. Es war eine Falle, in die man leicht geriet. Wenn er viel genug davon trank, verhieß ihm der warme, süße Alkohol, die Schärfe seiner Erinnerungen zu verwischen und ihnen den Biss zu nehmen.
Und es gab vieles, das er vergessen wollte, das er nicht spüren wollte. Vor allem Windwir. Aus der Ferne hatte er das Lager der Totengräber und die Narben im Schnee gesehen, unter denen sich in den gefüllten Gräben die Gebeine einer Stadt verbargen. Er hatte sich selbst vergewissern müssen, dass sie wirklich nicht mehr da war. Und inzwischen wünschte er sich mehr als alles andere, er könnte vergessen, dass es überhaupt geschehen war.
Auch der Krieg war etwas, das er vergessen wollte. Denn auch wenn er oberflächlich als ein Krieg zwischen zwei Päpsten bezeichnet wurde, wusste er, dass das im Grunde nicht stimmte. Es gab einen Papst – Petronus -, und Oriv wusste, dass er die Gewalt rasch beenden könnte, wenn er einfach nur das Knie beugte und Petronus’ Autorität anerkannte. Und doch würde er das nicht tun. Zum Teil, weil sein Vetter darauf bestand. Vor allem aber, weil er nicht wusste, wie er aufhören sollte.
Aber es gab sogar noch mehr zu vergessen als nur diese Dinge. Unter alldem lag eine tiefere Wahrheit.
Oriv konnte Rudolfos Schuldzuweisung nicht länger abstreiten: Sein Vetter, Sethbert, hatte Windwir zerstört.
Er hatte schon Verdacht geschöpft, kurz nachdem er vor scheinbar so langer Zeit in Sethberts Lager eingetroffen war. Er hatte Fetzen von Unterhaltungen zwischen dem Aufseher und seinem General Lysias mitbekommen. Auch Grymlis und seine Graue Garde hatten ihm Gerüchte zugetragen, die unter den Soldaten kursierten. Und sobald Petronus Windwir verlassen hatte, um zu den Neun Häusern der Neun Wälder zu gehen, hatte dieser listige alte Fischer seine Schaufel mit der Schreibfeder vertauscht. Seine Traktate und Bekanntmachungen waren von Vorwürfen gegen den entrolusischen Aufseher durchzogen, obwohl er immer darauf bedacht war, Oriv nicht zu erwähnen.
Diese Traktate kursierten inzwischen überall in den Benannten Landen. Zusammen mit der Blockade und der zerstörten Wirtschaft schürten diese verdammenden Pamphlete den entrolusischen Aufstand. Schon hatte der Bürgerkrieg Turam verschlungen, und selbst das Wenige, das vom Orden übrig war, war gespalten. Diejenigen Androfranziner, die nicht dem Ruf zum päpstlichen Sommerpalast gefolgt waren, waren inzwischen in den Neun Wäldern. Und nun, da der Winter vorüber war, hieß es, dass einige der hochrangigeren Erzgelehrten und Bischöfe – Männer, die alt genug waren, um sich an Papst Petronus zu erinnern – eine Abwanderung nach Osten planten.
Er füllte den Becher bis zum Rand, hob ihn und kippte ihn hinunter. Er brauchte inzwischen fast schon eine ganze Flasche, damit er vergaß. Und noch eine weitere halbe, damit er schlief.
Oriv hörte ein Klopfen an der Tür und versuchte aufzustehen. Er schwankte auf den Beinen und ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen. »Herein«, sagte er.
Grymlis schob die Tür auf. »Eure Exzellenz, können wir uns unterhalten?«
Der alte Soldat sah noch müder aus als sonst. Seine Augen waren im flackernden Lampenlicht rot umrandet, seine Schultern zusammengesunken.
Oriv winkte ihn herein. »Grymlis. Kommt. Setzt Euch. Trinkt etwas mit mir.«
Grymlis betrat das Zimmer, zog die Tür hinter sich zu. Er setzte sich in den Sessel gegenüber von Oriv und ihre Blicke trafen sich. Oriv sah weg, dann deutete er auf die
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