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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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sich zu einem Lächeln. »Die Wahrheit ist, dass ich mit allem, was ich damals wusste, die beste Entscheidung getroffen habe, die ich treffen konnte. Wenn ich geblieben wäre, läge ich jetzt wahrscheinlich mit dem Rest von Windwir unter Asche vergraben. Und die Arbeit, die ich jetzt verrichte, ist weit wichtiger als jede andere, zu der ich je berufen wurde.«
    Jin Li Tam nickte. »Ich verstehe.«
    Petronus blickte auf den Vogel. »Ich werde Isaak seine Gedächtnisregister überprüfen lassen und sehen, was wir in dieser Angelegenheit herausfinden können.« Er hielt inne und wirkte, als fühle er sich unwohl. »Euer Vater und ich sind einst gute Freunde gewesen«, sagte er. »Ich möchte glauben, dass der Junge, den ich einst gekannt habe, niemals solche Finsternis in die Welt bringen könnte.«
    Jin Li Tam antwortete nicht gleich. Sie dachte an Rudolfo, an seine Familie und seinen Freund Gregoric. Und sie dachte an die unzähligen anderen, die ihr Vater und dessen Vater zuvor wie den Lauf eines Flusses zurechtgebogen hatten, um ihre Pläne in der Welt voranzutreiben. Sie dachte an die Kinder – ihre Brüder und Schwestern – die auf dem Weg dorthin geopfert worden waren, gewiss in größerer Zahl, als sie jemals erfahren würde. »Mein Vater«, sagte sie, »ist zu großer Finsternis fähig.«
    Sie saßen eine Minute lang schweigend da.
    Schließlich erhob sie sich. »Ich danke Euch für Eure Zeit, Eure Exzellenz.«
    Später, als sie in ihrem Zimmer war, setzte sie sich auf ihr Bett und blickte aus dem Fenster. Blumen blühten auf, während der Frühling sich ausbreitete. Die Regenfälle hatten endlich aufgehört. Sie dachte an Petronus’ Worte, und dann dachte sie an das Kind, das in ihr heranwuchs.
    Die Arbeit, die ich jetzt verrichte, ist weit wichtiger als jede andere, zu der ich je berufen wurde.
    Jin Li Tam rieb sich über den Bauch und hoffte, das Licht dieser gegenwärtigen Aufgabe möge die Finsternis ihrer Vergangenheit überstrahlen.

Kapitel 29
    Rudolfo
    Auf dem Anwesen der Li Tam herrschte geschäftiger Aufruhr, als Rudolfo an dem unbewachten Tor ankam. Hoch ragte der Palast über den Palmen auf, thronte über einem grünen Meer, zwischen weißen Bändern aus Sand. Die halbe Eiserne Armada hatte angelegt; die andere Hälfte ankerte weiter draußen in der Bucht. Rudolfo sah, wie sich Kisten, Fässer und Truhen am Kai stapelten, während Diener die Schiffe beluden.
    Er hatte die Reise in sechs Tagen bewältigt, was zweifellos ein Wunder darstellte, hatte nur angehalten, wenn es unbedingt nötig gewesen war. Es hatte seine Vorteile, allein und unerkannt zu reiten – einer davon war, dass man unterwegs verhältnismäßig leicht eine Unterkunft fand. Rudolfo hatte die so eingesparte Zeit genutzt, um die Auseinandersetzung zu planen, die vor ihm lag.
    Aber als er das Tor unbewacht vorfand, die Türen des Anwesens weit offen, und die Diener und Kinder sah, wie sie Truhen und Kisten durch die Gärten und hinab zu den Pieren schleppten, zögerte er.
    Sie bereiten sich auf die Abreise vor. Aber weshalb? Er blickte sich noch einmal um. Sie gingen mit planmäßiger Eile vor. Alle Arbeiter waren in Mannschaften eingeteilt, nur hin und wieder rief jemand eine Frage oder einen Befehl. Alles lief vollkommen systematisch ab, nach einem vorgefertigten Plan.
    Rudolfo griff sich einen Mann mit langen roten Haaren von mittlerem Alter. »Ich bin Rudolfo, Herr der Neun Häuser der Neun Wälder und General der Streunenden Armee«, sagte er mit einer leichten Verbeugung. »Ich möchte mit Fürst Vlad Li Tam sprechen.«
    Der rothaarige Mann nickte. »Er erwartet Euch.« Er zeigte auf das andere Ende des Anwesens. »Folgt einfach dem Rauch.«
    Rudolfo sog die Luft ein und schnupperte einen feinen Hauch von Qualm, und er konnte sehen, wie er hinter dem Haus aufstieg. Er machte sich auf den Weg durch den Garten, und der Geruch wurde stärker, je weiter er vordrang. Als er um die Ecke des Nordflügels bog, sah er den Scheiterhaufen.
    Vlad Li Tam stand daneben und verfeuerte von einem Schubkarren herab dünne, gebundene Bücher. Er stand mit dem Rücken zu ihm, und Rudolfo dachte darüber nach, wie einfach es wäre, ihn zu töten.
    Trotzdem konnte er es nicht. Denn Vlad Li Tam würde sich nur in diese Lage bringen, wenn er sie sorgfältig abgewogen und einen günstigen Ausgang vorausgesehen hätte.
    Vielleicht ist der Tod jener günstige Ausgang, den er vorausgesehen hat.
    Rudolfo überwand die letzten Schritte zwischen ihnen,

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