Psalms of Isaak 01. Sündenfall
heraufgezogen war, legte sich wieder. »Gut, gut. Ich will seine Geschichte unbedingt hören.«
Jin legte ihre Hände in den Schoß. »Gibt es irgendetwas, das ich für heute Abend wissen sollte, Herr?«
Sethbert lächelte. »Ihr seid Rudolfo noch nie begegnet?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, niemals.«
»Er ist ein Geck. Ein Schönling in gewisser Weise.« Sethbert beugte sich zu ihr. »Er hat keine Kinder. Er hat kein Weib und keine Gefährtin. Ich glaube, er ist …« Er wedelte auf feminine Art mit den Fingern. »Aber er ist ein großer Angeber. Wenn er Euch um einen Tanz bittet – und ich nehme an, dazu wird es kommen -, dann tanzt mit ihm, ganz gleich, wie widerlich es sein mag.«
»Wenn mein Herr es so will.«
»Ich will es so.« Er beugte sich noch weiter vor. »Und ich brauche nicht zu erwähnen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist, ihn über meine Rolle beim Fall von Windwir zu unterrichten. Er wird es früh genug erfahren, aber wenn es so weit ist, wird es für ihn zu spät sein.«
Jin Li Tam nickte. Das war eine einwandfreie Strategie. Der Angriff auf Windwir hatte der entrolusischen Wirtschaft eine Krücke weggeschlagen – Sethbert war vielleicht wahnsinnig, aber nicht so wahnsinnig, dass er vollkommen zum Narren geworden war. Warum auch immer er die Stadt zerstört hatte, er hatte vor, die Verluste des Deltas durch eine Annexion auszugleichen, und die Neun Häuser der Neun Wälder waren reife Früchte, auch wenn sie hoch im Baum hingen und ein wenig ab vom Schuss lagen. Ein kleines Königreich aus Waldstädten, die inmitten von unermesslichen Rohstoffen gelegen waren. Ihr wurde klar, dass die Armee niemals für Windwir bestimmt gewesen war. »Ich verstehe.«
Draußen gab es einen Tumult. Die Zeltklappen flatterten, und ihr junger Leutnant stand im Eingang. Ihre Blicke trafen sich kurz, ehe er zur Seite sah.
»König Rudolfo reitet auf das Lager zu. Er hat seine Zigeunerspäher dabei. Sie sind nicht magifiziert.«
Sethbert lächelte. »Danke, Leutnant. Kümmert Euch darum, dass er angemessen angekündigt wird.«
Jin Li Tam strich ihren Rock glatt, zupfte an ihrem Oberteil und fragte sich, wie ihr letztes Festmahl als Sethberts Gefährtin verlaufen würde.
Kapitel 5
Rudolfo
Sethbert empfing ihn nicht vor seiner Armee; stattdessen wurde Rudolfo im Sattel zu einem riesigen, runden Zelt eskortiert. Er winkte, schnippte mit den Fingern und ließ noch etliche weitere Handzeichen für seine Zigeunerspäher aufblitzen, woraufhin sie sich entfernten und um den Pavillon herum Stellung bezogen.
Als er eintrat, erhob sich Sethbert, und ein müdes Lächeln zog seinen langen Schnurrbart und die pockennarbigen Wangen nach oben. Seine Dame stand ebenfalls auf, hochgewachsen und schlank, in eine Reitgarnitur aus grüner Seide gekleidet. Ihr rotes Haar leuchtete wie der Sonnenaufgang. Ihre blauen Augen blitzten belustigt und herausfordernd, und sie lächelte.
»König Rudolfo von den Neun Häusern der Neun Wälder«, verkündete der Diener am Eingang. »Der General der Streunenden Armee.«
Er trat ein und händigte dem Diener sein langes Schwert aus. »Ich komme, um in Frieden das Brot zu brechen«, sagte er.
»Wir empfangen Euch in Frieden und entbieten Euch den Wein der Freude bei einem so angenehmen Treffen wie diesem«, gab Sethbert zurück.
Rudolfo nickte und trat an den Tisch.
Sethbert klopfte ihm auf den Rücken. »Rudolfo, es tut gut, Euch zu sehen. Wie lange ist es her?«
Nicht lange genug, dachte er. »Zu lange«, sagte er. »Wie machen sich die Städte?«
Sethbert zuckte die Achseln. »Immer gleich. Wir hatten ein paar Schwierigkeiten mit Schmugglern, aber die scheinen sich gelöst zu haben.«
Rudolfo wandte sich an die Dame. Sie war ein paar Fingerbreit größer als er.
»Ja. Meine Gefährtin, die Dame Jin Li Tam aus dem Hause Li Tam.« Sethbert betonte das Wort »Gefährtin«, und Rudolfo sah, wie sich ihre Augen dabei kaum merklich verengten.
»Edle Dame Tam«, sagte Rudolfo. Er nahm die dargebotene Hand und küsste sie, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen.
Sie lächelte. »König Rudolfo.«
Sie setzten sich hin, und Sethbert klatschte dreimal. Rudolfo hörte ein dumpfes Klappern und Dröhnen hinter einem Wandteppich. Ein Metallmann kam dahinter hervor, der ein Tablett mit Gläsern und eine Weinkaraffe trug. Dieser hier war älter als Isaak, seine Gestalt viel kastenartiger und seine Farbe eher kupfern.
»Faszinierend, nicht wahr?«, fragte Sethbert, während der
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