Psalms of Isaak 01. Sündenfall
»Nun, es sieht so aus, als hätte ich auch einen Metallmann geerbt. Ich würde ihm zu gerne ein paar neue Tricks beibringen.«
Sethberts Gesicht wurde ein wenig fahler und gleich darauf rot. »Wirklich? Ihr habt einen eigenen Metallmann?«
»Ganz genau. Den einzigen Überlebenden von Windwir, wie man mir sagte.« Rudolfo klatschte in die Hände und sprang auf. »Aber genug von Spielzeugen. Hier gibt es eine schöne Frau, die einen Tanz verlangt. Und den wird Rudolfo ihr bieten. Wenn Ihr so freundlich wärt, Euren Metallmann etwas Passenderes singen zu lassen.«
Jin erhob sich, obwohl Sethbert wütend dreinblickte. »Im Interesse der Staatsbeziehungen«, sagte sie, »würde ich mich geehrt fühlen.«
Sie wirbelten und sprangen durch das Zelt, während der Metallmann ein schnelleres Stück sang und wie ein Trommler auf seine metallene Brust schlug. Rudolfo ließ seinen Blick aufmerksam über den Körper seiner Tanzpartnerin wandern und erhaschte, wo er konnte, einen Blick auf Einzelheiten. Sie hatte einen schlanken Hals und schmale Fesseln. Ihre vollen Brüste dehnten ihre Seidenbluse und bebten kaum wahrnehmbar, während sie sich mit geübter Anmut und äußerstem Selbstvertrauen bewegte. Sie war ein lebendes Kunstwerk, und ihm wurde klar, dass er sie haben musste.
Als das Lied sich dem Ende näherte, nahm Rudolfo ihr Handgelenk und tippte rasch eine Nachricht darauf. Ein Sonnenaufgang wie Ihr gehört zu mir in den Osten; und ich würde Euch niemals Gefährtin nennen.
Sie wurde rot, schlug die Augen nieder, und ihre Finger gaben eine Antwort, die ihn nicht im Geringsten überraschte. Sethbert hat die Androfranziner vernichtet; er hat auch für Euch Übles im Sinn.
Er nickte, lächelte angespannt und ließ sie gehen. »Ich danke Euch, meine Dame.«
Sethbert blickte Rudolfo aus zusammengekniffenen Augen an, aber Rudolfo zog es vor, von nun an lieber die Dame des Aufsehers als seinen Gastgeber anzuschauen. Das Mahl verging mit quälender Langsamkeit, und den Scherzen wohnte eine Schwere inne, die den Schritten eines Stadtbewohners auf der Jagd gleichkam. Rudolfo fiel auf, dass Sethbert zu keiner Gelegenheit die Zerstörung von Windwir oder den Metallmann, den seine Zigeunerspäher gefunden hatten, erwähnte.
Am lautesten waren die Worte, die Sethbert nicht aussprach.
Rudolfo fragte sich, ob das auch bei ihm so war.
Neb
Leise Stimmen weckten Neb aus seinem leichten Schlaf. Er lag bewegungslos im Wagen und gab sich Mühe, nicht einmal zu atmen. Die Nachtluft war schwer vom Brandgeruch, in den sich der Duft von Pflanzen mischte.
»Ich habe General O’Sirus sagen hören, dass der Aufseher verrückt ist«, murmelte eine Stimme.
Ein Schnauben folgte. »Als ob das etwas Neues wäre.«
»Glaubst du, es stimmt?«
»Was meinst du?«
Eine Pause. »Glaubst du, dass er Windwir zerstört hat?«
Neb hörte Stoff rascheln. »Eher haben sie sich selbst zerstört. Du weißt doch, was man über die Neugier der Androfranziner sagt. Die Götter allein wissen, was sie dort draußen bei ihren Ausgrabungen in den Mahlenden Ödlanden gefunden haben.« Neb hörte, wie sich ein Soldat räusperte und ausspuckte. »Vielleicht Alte Magie … Blutmagie.«
Trotz all ihres Starrsinns unrechtmäßige Kinder betreffend, eines machten die Androfranziner bei ihren Nachkommen wirklich gut. Etwas das – abgesehen von den reichsten Grundbesitzern und Adligen – niemand sonst für die eigenen Kinder tat: Sie gaben ihnen die beste Ausbildung, die die Welt zu bieten hatte.
Solange er denken konnte, hatte Neb den Großteil seiner Tage in der Großen Bibliothek verbracht, für gewöhnlich unter der Aufsicht eines Akolythen, der im Zuge seiner eigenen Ausbildung einer Gruppe von Jungen zugeteilt worden war. Der Erzgelehrte Rydlis drückte es am besten aus: Der Pfad zum Lernen ist das Lehren. Und der Pfad zum Lehren ist das Beantworten von Kinderfragen.
Mit dieser Geschichte kannte Neb sich aus. Das Zeitalter des Lachenden Wahnsinns war durch Blutmagie heraufbeschworen worden. Es war Teil der Statuten der Jünger des P’Andro Whym – festgeschrieben hunderte von Jahren nach dem Tod ihres verehrten Anführers und beinahe fünfhundert Jahre nach dem Ausbruch des Lachenden Wahnsinns -, sowohl auf die Magie als auch auf die Wissenschaft ein wachsames Auge zu haben. Die Gepflogenheiten der Bundschaft waren demselben dunklen Zeitalter entsprungen und hatten ein Labyrinth aus rituellen und gesellschaftlichen Erwartungen entstehen lassen, das
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