Psalms of Isaak 01. Sündenfall
dachte sie. Er will noch etwas anderes fragen, aber er ist nicht sicher, ob er mir trauen kann. Sie nahm das Risiko auf sich, die nonverbale Fingersprache der Häuser des Deltas zu benutzen.
Ihr könnt mir vertrauen , bedeutete sie ihm.
Er blinzelte. Ihr kennt unsere Zeichensprache?
Sie nickte. »So ist es.« Noch während ihr Mund die Worte formte, bewegten sich ihre Finger. Fragt mich, was Ihr wissen wollt, Leutnant.
Seine Hände fummelten an der Kappe herum, und er setzte sie wieder auf. »Es wäre ungebührlich, wenn ich diese Frage stellen würde.« Aber nun bewegten sich auch seine Finger. Sie sagen uns, dass der Aufseher durch Spione in der Stadt schon im Voraus Kenntnis von Windwirs Verhängnis hatte; dass wir der Stadt nur um der Bundschaft willen zu Hilfe geeilt sind. Seine Hände fielen herab, und sie begriff, dass der junge Mann kurz davor war, den Kopf zu verlieren.
»Da habt Ihr recht«, sagte sie. »Es wäre ungebührlich. Er ist der Aufseher. Ihr seid sein Leutnant. Ich bin seine Gefährtin.« Der Aufseher wusste etwas im Voraus , signalisierte sie ihm zurück.
»Es tut mir leid, dass ich Euch damit belästigt habe, meine Dame.« Und wieder bewegten sich seine Hände: Die Männer haben gehört, wie er prahlte. Sie sagen, er behauptet, die Stadt der Androfranziner vernichtet zu haben.
»Lasst bitte den Aufseher wissen, dass ich mich in Kürze zum Festessen bei ihm einfinden werde.« Jin Li Tam zögerte. Wenn sie seine Befürchtungen bestätigte, konnte ihn das auf einen gefährlichen Weg bringen. Es war leichter, sich nicht ganz sicher zu sein, als nur noch vorzugeben, einer edlen Sache zu dienen oder die eigene Uniform zu begraben und zu fliehen. Die Prahlereien des Aufsehers entsprechen der Wahrheit , signalisierte sie schließlich. Sie sah, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich.
Der Leutnant wankte und ließ seine Hände sinken. »Er muss einen guten Grund gehabt haben«, flüsterte er.
Jin Li Tam trat näher und versteckte ihre Größe nun nicht mehr, als sie dem jungen Mann die Hand auf die Schulter legte. »Wenn Ihr die Verheerung von Windwir erst mit eigenen Augen gesehen habt«, sagte sie mit leiser Stimme, »werdet Ihr wissen, dass es keinen guten Grund für das geben kann, was der Aufseher getan hat.«
Der Leutnant schluckte. »Ich danke Euch, meine Dame.«
Sie nickte knapp, dann wandte sie sich ab und wartete, bis er gegangen war. Sobald er fort war, schloss sie ihre Zeltklappe, versteckte den Beutel mit den Magifizienten an einer anderen Stelle und suchte sich Kleider für das abendliche Mahl heraus.
Während sie sich das Haar kämmte, fragte sie sich, ob ihr Vater mit seiner Einschätzung von König Rudolfo recht hatte. Es war offensichtlich, dass sie eher früher als später gehen musste. Sethbert ritt auf einem blinden Hengst eine tückische Straße entlang, und daraus konnte nichts Gutes erwachsen. Sie fragte sich, was ihr Vater sagen würde, und kam zu dem Schluss, dass er ihr vielleicht raten würde, zu Rudolfo zu gehen. Ein strategisches Bündnis mit den Neun Häusern der Neun Wälder – zumindest, bis sie sicher an die Smaragdküsten zurückkehren konnte – würde es ihr vielleicht ermöglichen, die Sache ihres Vaters noch ein wenig länger voranzutreiben.
Sethbert erhob sich nicht einmal mehr, wenn sie den Raum betrat. Am Anfang war das noch selbstverständlich gewesen, und immerhin folgte er bei förmlichen Anlässen den Regeln der Etikette. Aber im Augenblick war er allein mit seinem Metallmann und lachte leise, während der Automat auf einem Fuß hüpfte und Teller für ihn jonglierte.
»Mein Herr«, sagte sie im Eingang und machte einen Knicks.
Er betrachtete sie und leckte sich dabei über die Lippen. »Meine Dame Jin Li Tam. Ihr seht wie immer liebreizend aus.«
Als sie eintrat und Platz nahm, schickte er den Metallmann mit einem Wink fort. »Warte in der Küche«, befahl er.
Der Metallmann nickte und trottete unter Klicken und Zischen davon.
»Die Neueren sind viel besser«, sagte er. »Ich denke, ich werde ihn ersetzen.«
Jin lächelte und nickte höflich.
»Und wie geht es Euch heute Abend? Habt Ihr eine Beschäftigung gefunden?« Sethbert schien nun ganz umgänglich zu sein.
»Das habe ich, Herr. Ich habe nach dem Jungen gesehen und dafür gesorgt, dass man sich gut um ihn kümmert.« Als Sethbert die Stirn runzelte, fügte sie hinzu: »Ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauert, bis er spricht.«
Der Sturm, der auf Sethberts Gesicht
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