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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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war als das eines Androfranziners. Aber nun zog er Neb ganz dicht an sich heran und drückte ihm mit seinem dicken Arm die Schultern. »Lass die richtige Zeit dafür kommen, Neb. Und gräme dich nicht, wenn es nicht im nächsten Jahr oder in zwei Jahren geschieht. Ich mag keinen Einfluss auf deinen Schulleiter haben, aber ich kenne ein paar Archäologen, die mir einen Gefallen schulden. Sobald du deine Reife erlangt hast, brauchen wir die Erlaubnis des Schulleiters nicht mehr. Dann werde ich etwas arrangieren.« Er grinste. »Es wird aber womöglich nicht sonderlich ruhmreich sein.«
    Einen Augenblick lang hatte Neb das Gefühl, als könnte ihn sein Vater tatsächlich lieben. Er lächelte. »Danke, Bruder Hebda.«
    Bei dieser Erinnerung legte Neb die Birne weg und spürte den stechenden Verlust. Dieses dumpfe, hohle Gefühl leckte noch immer von außen an ihn heran, aber tief in seinem Inneren fühlte es sich an wie ein glühendes Messer.
    Er würde Bruder Hebda niemals wiedersehen. Es würde keine Plaudereien im Park im Schatten des Waisenhauses mehr geben. Dieses erste Mal, da er den Arm um Neb gelegt hatte, war das letzte Mal gewesen. Und es würde auch keine gemeinsamen Grabungen in den Mahlenden Ödlanden geben.
    Neb versuchte, seine Trauer beiseitezuschieben, aber sie schob sich zurück. Und er konnte die Tränen nicht aufhalten, als sie kamen.
    Jin Li Tam
    Jin Li Tam war sicher gewesen, dass von allen Nächten die kommende eine sein würde, in der Sethbert sie zu sich bestellte. Sie nahm an, ihr Vater würde wollen, dass sie tat, was man von ihr erwartete, und die Gelegenheit nutzte, um mehr über die Pläne des Aufsehers herauszufinden. Aber ein Teil von ihr fragte sich, ob sie nicht schon genug wusste, dachte darüber nach, ob sie ihm nicht stattdessen ein Messer zwischen die Rippen stoßen sollte. Natürlich hatte er sie zumindest bei der Hälfte der in letzter Zeit wenigen Gelegenheiten, zu denen er sie zu sich bestellt hatte, auch sorgfältig durchsuchen lassen.
    Aber Sethbert ließ sie gar nicht kommen. Stattdessen berief er eine Sitzung mit seinen Generälen ein und winkte Jin Li Tam abweisend fort. Dafür war sie dankbar.
    Sie schloss ihre Zeltklappe und band ein Paar Fußschellen an das Seidenband, so dass der Eingang nicht ohne ein gedämpftes Klingeln geöffnet werden konnte. Seit ihren Mädchenjahren war Jin Li Tam dazu ausgebildet worden, alle Möglichkeiten zu nutzen, die ihre Rolle als Kurtisane mit sich brachte, um ihre Sicherheit und damit den Fluss der Informationen zum Haus Li Tam zu gewährleisten.
    Bis hin zu den Pantoffeln trug sie ihre seidene Reitkleidung auch im Bett, und ihre Hand war fest um den Griff ihres schlanken Krummdolches geschlossen. Vor dem Abendessen hatte sie ein kleines Bündel, das in einen dunklen Umhang eingeschlagen war, unter ihrem Bett versteckt. Sie konnte sich magifizieren, an Sethberts Patrouillen vorbeischlüpfen und sich noch vor dem Morgengrauen auf dem Weg zur Streunenden Armee befinden.
    Aber nur wenn Rudolfo einen seiner Männer schickte. Und wenn er das tat, würde sie sich Gewissheit über die versteckte Botschaft verschaffen können, die sie in seinen hastig getippten Worten entdeckt hatte.
    Ein Sonnenaufgang wie Ihr gehört zu mir in den Osten , hatte Rudolfo gesagt. Aber bei dem Wort »Sonnenaufgang« hatte er sehr kräftig aufgedrückt, das Wort »Osten« umgedreht, und das »gehört« war nur ein Hauch gewesen, so dass ihm ein Gefühl von absoluter Dringlichkeit anhaftete.
    Die Botschaft lautete, sie solle das Lager unbedingt verlassen und sich nach Westen aufmachen, ehe die Sonne aufging.
    Aber die Botschaft hinter der Botschaft war noch viel verblüffender: Rudolfo kannte irgendwoher eine alte Form der nonverbalen Kurzsprache des Hauses Li Tam. Der Akzent – wenn man von einem solchen sprechen konnte – war ungewohnt, was den Worten einen altmodischen, förmlicheren Ton verlieh.
    Als sie vor dem Bankett ihre Vorbereitungen getroffen hatte, war sie davon ausgegangen, nach Süden und Westen zu fliehen, sich mithilfe der Magifizienten heimwärts zu den Smaragdküsten durchzuschlagen, bis sie weit genug entfernt war, um nicht wiedererkannt zu werden.
    Aber nun schien man ihr offensichtlich – und sehr geschickt – ein neues Angebot zu machen.
    Dieser Rudolfo mochte vielleicht ein wenig geckenhaft sein, dachte sie, aber in seinen Augen erkannte sie Härte, und in der Art, wie seine Finger sich auf ihrem Handgelenk bewegt hatten, lagen Erfahrung und

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