Psalms of Isaak 01. Sündenfall
die whymerische Bibel bestand. Er schloss seinen Mund wieder, dann versuchte er es noch einmal – mit demselben Ergebnis. Der alte Mann riss den Beutel nach oben und drückte ihn Neb in die Hände. Er beugte sich dicht heran und sprach leise. »Dort drinnen gibt es Papier. Und Bleistifte. Die werden unserer reichlich einseitigen Unterhaltung auf die Sprünge helfen. Aber erst, wenn wir wissen, dass wir Sethberts Männer los sind.«
Neb nickte. Später, wenn sie sich sicher in einen Schuppen am Wegesrand eingeschlossen oder sich tatsächlich durchgekämpft und ein Gasthaus in Kendrick gefunden hatten, würden sie einander viele Fragen stellen müssen.
Der Alte stieg auf den quietschenden Kutschbock, und Neb kletterte ins Wageninnere, wo er Bruder Hebdas Beutel an die Brust drückte. Eine Peitsche knallte, und ein hohes, scharfes Pfeifen ertönte. Der Wagen schlingerte vorwärts.
Während sie fuhren, schweiften Nebs Gedanken ab. Zu einem verrückten Aufseher, der das hellste Licht der Welt auslöschte und sie alle in die Dunkelheit riss. Zu einer schönen Frau, in deren Haar der Sonnenaufgang leuchtete, deren Lippen von Geheimnissen kündeten. Zu einem alten, starken Papst, der von den Toten zurückgekehrt war, um seine verwüstete Stadt zu rächen.
Das alles gehörte in eine Geschichte, dachte er – wie eine von den hunderten, die er während der ruhigeren Tage in der Bibliothek gelesen hatte. Und die Erinnerung daran war so stark, dass Neb das Pergament riechen konnte, während das Schaukeln des Wagens und die warme Nachmittagssonne ihn in den Schlaf wiegten.
Petronus
Petronus hörte das leise Schnarchen des Jungen hinter sich und blickte über die Schulter. Es war gut, dass er schlief. Er sah aus, als hätte er das tagelang nicht getan, und Petronus konnte es verstehen. Er hatte keine Nacht durchgeschlafen seit dem Tag, an dem er die Wolke gesehen hatte. Und obwohl er dieser Tage nicht mehr viel Schlaf brauchte, nahm auch er, was er bekommen konnte.
Während er weiterfuhr, dachte er über den Jungen nach.
Es war offensichtlich, dass er eigentlich sprechen konnte, und bestimmt war er klug. Auch gut ausgebildet. Vermutlich einer der Waisen – sie bekamen die beste Ausbildung der Welt, besser als jedes adlige Kind. Sie erhielten die Ausbildung, die ansonsten den Androfranzinern vorbehalten war. Bei den Höllen, sie waren Androfranziner, so sah es zumindest Petronus. Und sie hatten nicht einmal eine Wahl. Wenn sie endlich alt genug waren, einen eigenen Verstand zu entwickeln, hatte man sie schon mit dem rückwärtsgewandten Traum durchtränkt – dem andauernden Blick zurück, um die Zukunft gnädiger zu gestalten. Die meisten Waisen traten dem Orden bei, wenn sie ihre Reife erlangten. Selbst die Mädchen dienten auf gewisse Weise, obwohl ihre Aussichten innerhalb des männlich bestimmten Wissenskultes weniger ruhmreich waren.
Gewiss war auch Petronus von Zeit zu Zeit von den Eiden abgewichen, besonders während seiner frühen Jahre beim Orden. Aber er hatte immer aufgepasst, und seine Tändeleien waren niemals von so langer Dauer gewesen, als dass er sich ernsthafte Sorgen hätte machen müssen.
Aber andere waren nicht so vorsichtig, jeder aus seinen eigenen Gründen. Dabei war es ganz einfach, besonders für einen Androfranziner, der Zugang zu Tränken und Pulvern sowohl für Männer als auch für Frauen hatte, die den Wunsch verspürten, keine Nachkommen zu zeugen. Vielleicht, dachte er, sehnt sich das Leben danach, sich selbst neu zu erschaffen.
Dennoch, wenn seine Annahmen richtig waren, war der Junge im Inneren des Wagens einer von hunderten, die die Androfranziner in die Welt gesetzt und dann in ihr Waisenhaus geworfen hatten, als könnten die beste Bildung und die klügsten Gelehrten der Welt eine Mutter ersetzen, die frisches Brot buk, und einen Vater, dessen Hände nach Fisch stanken.
Und er hat Windwir fallen sehen. Bei den Göttern, was für ein schrecklicher Anblick, ganz gleich in welchem Alter. Dieser Junge konnte nicht älter als fünfzehn sein. Doch abgesehen davon, dass er es nicht schaffte, seine Stimmbänder zu beherrschen, hatte der Junge zumindest noch seinen Verstand beisammen.
Und dieser reichte aus, um einen Anschlag zu planen, wie es schien, wenn auch eher mit Wagemut als mit Geschick.
Und warum Sethbert? Das wahre Gesicht des Jungen konnte nicht lügen: Er hatte vorgehabt, dem Aufseher etwas zuleide zu tun, entweder hier und jetzt oder irgendwann später. Trotzdem hatte er
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