Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Einst hatte es einmal, so behaupteten einige der Ketzerschriften, beinahe so viele Metallmänner wie Menschen gegeben. Dies war in den Tagen lange, lange vor dem Zeitalter des Lachenden Wahnsinns gewesen. Aber als P’Andro Whym den zerstörten Weltengrund mit seiner verstreuten Schar von Buddlern und Schriftgelehrten durchwanderte, waren die Metallmänner so gut wie ausgerottet gewesen.
Und nun hatte man sie zurückgebracht, zumindest eine Handvoll davon. Und wenn Rudolfo seinen Willen durchsetzte, so viel wurde ihr klar, dann würden diese wenigen – die mithilfe von Pergamenten und Schrott, den man in den Ödlanden gefunden hatte, erbaut worden waren – hierherkommen, und Isaak dabei helfen, wieder zu errichten, was Sethbert zerstört hatte.
»Edle Dame Tam«, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie drehte sich um. Einer der Späher war an ihre Seite getreten.
Sie blickte ihn an. Er war jung, aber kein Kind mehr, und anders als Sethberts Deltaspäher stolzierten Rudolfos Männer nicht. »Ja?«
»Der …« Er hielt inne, auf der Suche nach dem passenden Wort. »Isaak möchte Euch gerne sehen.«zu
Sie war überrascht. Erst vor einer Stunde hatte sie ihn getroffen und ihn nach seinen Plänen und seiner Korrespondenz mit den Androfranzinern befragt. »Nun gut.«zu
Sie ging die halbe Meile zur Waldresidenz zurück und traf Isaak im Garten eines Innenhofs. Er hielt einen Papierfetzen in den Händen und stand da, seine Augenschließen blinzelten auf das Schriftstück hinab.
»Was ist das, Isaak?«, fragte sie und trat zu ihm.
Der Metallmann hinkte neben sie, und der dunkle Talar verbarg die Kanten seines schmalen, stählernen Gehäuses. »Ich habe Nachricht aus dem päpstlichen Sommerpalast erhalten«, sagte er. Er schlug die Augen rasch auf und zu.
»Das ging sehr schnell«, bemerkte sie.
»Es war keine Antwort auf meine Nachricht.«
Seltsam, dachte sie. »Was für Neuigkeiten enthält sie?«
Dampf schoss aus seinem Entlüftungsrost. »Es ist ein päpstlicher Erlass, der verfügt, dass sich alle verbleibenden Mittel und Angehörigen des Ordens zur Bestandsaufnahme im päpstlichen Sommerpalast einfinden sollen.«zu
Sie spürte, wie ihre Brauen sich zusammenzogen. »Wie kann das sein? Der Papst ist doch sicher tot?«
»Ich …« Er stockte, surrte und klackte. Sofort bedauerte sie ihre Worte. Aber er erholte sich und fuhr fort. »Die Nachfolge bei den Androfranzinern ist kompliziert – ganze Bücher sind in den letzten zweitausend Jahren darüber verfasst worden. Obwohl die Ämter traditionell durch das Auflegen der Hände weitergegeben werden, gibt es Sonderfall über Sonderfall. Papst Introspekt könnte sehr wohl das Amt auf irgendeine Weise weitergegeben haben, bevor er…« Isaak hielt inne. Seine Augen blinzelten Wasser fort, und er blickte zur Seite.
Jin legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Vergiss nicht, Isaak, dass es Sethberts Hand war, die dich geführt hat.«zu
Isaak nickte. »Ungeachtet dessen trägt der Erlass das Zeichen des Ringes.«
Konnte es sich dabei um etwas handeln, das ihrem Vater entgangen war? Sie bezweifelte es, doch nach den Ereignissen der letzten Woche war alles möglich. Sie kannte die Antwort auf die nächste Frage, bevor sie sie stellte, aber sie fragte trotzdem. »Was heißt das?«
»Das heißt, dass ich nicht hierbleiben kann«, sagte Isaak mit gesenktem Kopf. Seine Stimme klang erschöpft – etwas, das sie bei einem Mann aus Metall nicht für möglich gehalten hätte. Als er zu ihr aufblickte, dachte sie, dass sie womöglich noch nie einen solchen Ausdruck von innerer Zerrissenheit auf dem Gesicht eines Menschen gesehen hatte, und es erstaunte sie, dass sie diesem Metallmann schon solch menschliche Charakterzüge zuschrieb, nur aufgrund der Art, wie sich seine Augen oder sein Mund bewegten oder wie er den Kopf neigte. »Ich bin Eigentum des Ordens der Androfranziner«, sagte er schließlich. »Erbaut, um ihrem Gebot zu folgen.«
Und wenn ihre Vermutungen stimmten, war er auch die größte Waffe, die die Welt seit zweitausend Jahren gesehen hatte.
Er stand bewegungslos da. »Gibt es noch etwas?«, fragte sie.
Isaak nickte langsam. »Ja. Die erste Amtshandlung des Heiligen Stuhls unter Papst Resolut war, einen Bannschrieb zu unterzeichnen.«
Einen Bannschrieb. Nun würden die Entrolusier wahrhaft allein dastehen, von der Welt abgekapselt. Ein Bann des androfranzinischen Papstes würde jegliche Verpflichtungen der Bundschaft zwischen den verstreuten Mächten der
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