Psalms of Isaak 01. Sündenfall
verloren.«
»Nachdem P’Andro Whym die jungen Hexenkönige ausgelöscht hatte – die sieben Söhne von Xhum Y’Zir -, hat sich ihr Vater sieben Jahre lang eingeschlossen und in dieser Zeit einen Bannspruch geschaffen …«
Ihr Atem entwich schlagartig. »Die Sieben Kakophonischen Tode«, sagte sie.
Isaak nickte. »Er sandte seine Todes-Chöre in alle Länder, damit sie ihre Blutmagie sangen und den Zorn des trauernden Erzmagiers herabbeschworen.«
Jin Li Tam kannte die Geschichte gut. Nach dem Dritten Kataklysmus hatte sich das Zeitalter des Lachenden Wahnsinns in dem Gebiet eingenistet, das die kommenden Generationen als die Mahlenden Ödlande bezeichnen würden. Ein paar hatten überlebt, aber sie wurden wahnsinnig über das, was sie gesehen hatten. Ein paar – ein paar Wenige – hatten sich unter dem Boden oder in den Berghöhlen des Drachenrückens verkrochen, der sich quer durch den hohen Norden zog. Jene waren später hervorgekommen, hatten in den Ruinen gegraben und das Wenige aufgesammelt, das von der Welt übrig war. Natürlich hatte sich damals der erste Rudolfo längst in den Nordwesten zurückgezogen, jenseits des Hüterwalls, um sich in diesem Ozean aus Prärie am entlegenen Ende der Neuen Welt zu verstecken.
Jins Stimme wurde leiser. »Du hast den Bannspruch?«
Isaak nickte. »Ich habe ihn auf dem Stadtplatz von Windwir gesungen und mit angesehen, wie die Stadt darunter zu Asche zerfiel.«
Jin erschauerte. »Wie konnte so etwas passieren?«
Isaak wandte sich ab. »Meine Register wurden verändert. Sie waren immer so vorsichtig mit uns. Bruder Charles hat jede Nacht mein Gedächtnis gelöscht, hat darauf geachtet, dass ich kein Wissen dieser Art behalten konnte. Aber sein Lehrling hat – unter Anweisung von Aufseher Sethbert – das Register verändert, das meine Tätigkeiten festlegt.«
Jin schüttelte den Kopf. »Nicht das. Das kann ich mir selbst zusammenreimen. Sethbert zieht viele Strippen. Was ich nicht verstehe, ist Folgendes: Warum sollten sie sich mit einer so gefährlichen Aufgabe überhaupt erst beschäftigen?«
Isaak blickte sie an, und Dampf quoll aus seinem Entlüftungsrost. »Der Erhalt von Wissen ist das Herz der Vision der Androfranziner.«
Jin wusste, dass er recht hatte. Außerdem trieb sie eine beständige Neugier darauf an, wie und weshalb Dinge funktionierten. Sie hatte Geschichten von wundersamen Maschinen und komplizierten Automaten gehört, die in verborgenen Gewölben in der inzwischen leblosen Stadt unter Verschluss gehalten worden waren. Ihr Vater hatte daraus seinen Nutzen gezogen, genauso wie andere, die dem Orden nahestanden. In seinem Garten gab es einen mechanischen Vogel – eigentlich nur ein Schmuckstück. Nützlicher als der Vogel waren jedoch die eisernen Schiffe in seinen Docks, gespeist von Antrieben, die die Androfranziner nach alten Anleitungen gebaut und in gewaltigen, eisenbeschlagenen Kreuzern angebracht hatten. Sie machten das Haus Li Tam zur größten Seemacht in den Benannten Landen.
Vielleicht, dachte sie, lag darin die Wurzel von Windwirs Fall.
Sie hatten sich in ihrer Stadt versteckt, bewacht von der Grauen Garde und anderen Wächtern, von denen nur die Götter wussten, und lediglich Bruchstücke ihres Wissens und Fortschritts an jene verteilt, die sie begünstigten. Vor denen, die ihnen nicht genehm waren, hielten sie ihr Wissen verborgen. Sie krallten sich an allem fest, das sie entdeckten, bis sie das Gefühl hatten, dass die Welt dafür bereit war.
Allen außerhalb ihrer Stadt waren sie mit größter Vorsicht begegnet, hatten aber nicht denselben Grad an Vorsicht innerhalb ihres eigenen Ordens walten lassen. Irgendwie hatte Sethbert von dem Bannspruch erfahren und anschließend herausgefunden, wie er ihn einsetzen konnte, um die Androfranziner zu stürzen.
Sie blickte zu dem Metallmann, der ihr gegenübersaß. Sie fragte sich, ob er nicht ein weiteres Beispiel für das Scheitern der Androfranziner war, wenn es darum ging, sich selbst ebenso kritisch zu betrachten wie den Rest der Welt. »Du machst mich neugierig, Isaak«, sagte sie.
Er blinzelte sie an. »Wieso sollte ich Euch neugierig machen?«
Sie zuckte lächelnd die Achseln. »Ich habe noch nie einen Metallmann getroffen. Du bist so etwas wie eine Rarität.«
Er nickte. »Es gab eine Zeit, zu der tausende von uns existierten. Als Rufello seine Baupläne und Betrachtungen zum Zeitalter der Mechanik verfasste, arbeitete er mit den beschädigten und ausrangierten
Weitere Kostenlose Bücher