Psycho-Logisch Richtig verhandeln
gibt noch weitere Gründe, die allerdings diesen Rahmen sprengen würden. Deshalb sei im Augenblick nur noch einer erwähnt: Wenn wir »gelernt« haben, daß etwas »so« sei, dann ist es uns meist nicht mehr (leicht) möglich, zu begreifen, daß diese Sache auch »anders« sein kann. Hierzu sagt Carlos CASTANEDA, dessen Bücher (insbes. 14,15) ich nur empfehlen kann, in »Reise nach Ixtlan« (15) folgendes:
Jeder, der mit einem Kind in Kontakt kommt, ist ein Lehrer. Er erklärt die Welt unaufhörlich, bis zu dem Augenblick, wo das Kind die Welt so wahrnehmen kann, wie sie ihm erklärt wurde. Wir haben keine Erinnerung an diesen folgenschweren Augenblick, einfach weil wir keinen Bezugsrahmen hatten (damals), in dem wir ihm mit etwas anderem hätten vergleichen können. Doch von diesem Augenblick an ist das Kind ein Mitglied. Es kennt die Beschreibung von der Welt, und es erreicht… die volle Mitgliedschaft, wenn es in der Lage ist, all seine Wahr-Nehmungen so zu deuten, daß sie mit diesen Beschreibungen übereinstimmen und sie dadurch (zu) bestätigen (scheinen).
Nun könnten wir fragen: Ja, gibt es denn wirklich nichts, dessen man (zumindest ziemlich) sicher sein kann? Gibt es denn gar keine »objektive« Wahrheit?
Um uns zu helfen, eben diese wichtige Frage zu beantworten, hat WATZLAWICK (48) uns einen Vorschlag gemacht, der m. E. brillant ist: Er sagt nämlich, wir sollten zwischen zwei Arten von Wirklichkeiten unterscheiden lernen:
1. Wirklichkeiten erster Ordnung: Hierbei handelt es sich um objektiv feststellbare, meßbare oder beweisbare Tatsachen, z.B. das spezifische Gewicht von Gold. Hier können verschiedene Wissenschaftler jeweils neu testen und werden immer wieder zum gleichen Resultat kommen. Ähnlich verhält es sich mit Fragen nach Uhrzeit oder Daten und Fakten, die nachprüfbar sind. (Allerdings müssen wir in Kauf nehmen, daß neue wissenschaftliche Ergebnisse auch solche Wirklichkeiten erster Ordnung in Frage stellen können, wie es in der Physik geschah.) Im Alltag jedoch dürfen und sollen wir ruhig davon ausgehen, daß Wirklichkeiten erster Ordnung auch wirklich »wahr« sind!
2. Wirklichkeiten zweiter Ordnung: Hierbei handelt es sich um Meinungen, Standpunkte und Werte, die sich verändern können. Als Parallele zum spezifischen Gewicht des Goldes (oben) nennt WATZLAWICK hier den Wert, den das Gold für ein einzelnes Individuum haben kann! Weiter geht es hier um alle Fragen, die eben nicht empirisch geklärt werden können. »Über Geschmack läßt sich nicht streiten«, sagt der Volksmund zurecht. Warum aber streiten wir dann so oft über Wirklichkeiten zweiter Ordnung, als gäbe es auch hier nur eine einzige »absolute Wahrheit«?
Nun sollte man meinen, der vernünftige Mensch, der Homo sapiens, könne sich entscheiden, im Bereich dieser Wirklichkeiten zweiter Ordnung liberal zu sein. Daß er in Fragen dieser Kategorie begreifen würde, daß der andere genausoviel Recht darauf hat, hier seine (andere) Meinung zu vertreten. Daß man über Fragen des Geschmacks, der Musik, der Religion, der Philosophie (insbes. der Lebensphilosophie) nicht streiten kann!! Aber gerade in solchen Fragen ist der Mensch oft stur und intolerant.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß wir oben um eine liberale Einstellung bitten, am Ende des vorhergegangenen Abschnittes jedoch von Intoleranz sprechen. Warum?
Das Wort »Toleranz« leitet sich von lat. »tolerare« ab, was
• erleiden
• ertragen,
• erdulden
bedeutet. Toleranz tut also »weh« (d.h. sie löst Unlustgefühle aus). Wir haben oft nicht die Kraft, die Energien, die »Nerven«, um tolerant zu sein, weil unser Rep. sich einmischt (s. Kap. 1 u. 2). Liberal zu sein, tut hingegen nicht weh. Worin liegt der Unterschied?
Wenn ich begreife, anerkenne und akzeptiere, daß andere Menschen ein Recht darauf haben, anders zu denken, fühlen und handeln als ich (was ihnen laut Grundgesetz ja auch zusteht!), dann löst ein Gedanke oder Verhalten, der (das) anders ist als mein eigener (eigenes), keine Unlustgefühle in mir aus. Wenn ich akzeptiere, daß jemand das Recht hat, einen Beethoven schöner zu finden als die Beatles, dann stört mich diese seine Haltung doch nicht! Wenn ich zulassen kann, daß jemand das Recht hat, Jeans zu tragen, selbst wenn ich für mich selbst einen »korrekten« Anzug vorziehe, dann erleide ich keine Unlustgefühle, wenn ich ihn sehe.
Nun hängt diese Fähigkeit, andere anders sein (denken, handeln) zu lassen, weitgehend
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