Psychoid - Der Feind in Oliver
konnte.
»Ich hatte es vermasselt. Wenn ich wüsste, wie es ist, dann hätte mir mein Vater leidgetan. Ich glaube, er hat den größten Schmerz gehabt. Auch wenn es meinem Vater gut gegangen ist. Ich habe es genau gesehen. In seinen Augen war der größte Schmerz, den ich jemals gesehen habe.«
» Weil er zusehen musste?«
» Ja. Ich hatte einen Fehler gemacht. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.«
Dr. Klein kritzelte wie verrü ckt in seinen Block. Er war der schnellste Schreiber auf der Welt. Seine Schrift konnte ich nicht immer lesen, aber er hatte eine schöne Hand. Sie erinnerte mich oft an die Hand meines Vaters, wenn er mir auf die Gesäßbacken schlug. Da hatte ich so meine Vorstellungen. Nur Vorstellungen halt.
Aber die brachten mich zum grinsen.
»Es war definitiv falsch gewesen, was Sie getan haben, Oliver. Das wissen Sie doch.«
Der Doc wurde frech. Er hatte wohl vergessen , wer ich war.
» Es war so vieles falsch. Ich wollte es wieder gutmachen, Dr. Klein. Mein Vater sollte das Vorführobjekt sein. Ich hoffte, es war noch möglich. Ich wollte es unbedingt sehen. Das, was ich bei meinem Vater gesehen habe. Diesen Schmerz in seinen Augen. Es hätten die Augen meiner Mutter sein müssen. Wie hatte mir das nur passieren können?«
Ich hasste es, wenn der Doc mit seinen Schultern so zuckte. Es kam mir so vor, als ignorierte er mich . Oder er war einfach zu faul zu antworten. Das machte mir keinen Spaß. Es war nicht schön, wenn nur ich redete und er Fragen stellte.
Aber Dr. Kleins Hand entschä digte alles.
» Und haben Sie es gesehen?«
» Was meinen Sie, Dr. Klein?«
» Kommen Sie schon, Oliver. Diesen Schmerz in den Augen Ihrer Mutter. Haben Sie es gesehen?«
Wieder grinste ich.
»Sie können sich nicht vorstellen, was in so einer Rumpelkammer alles herumliegt.«
Meine Gedanken spielten verrü ckt.
Und meine Erinnerungen auch.
Kap itel 12
» Wenn es Winter gewesen wäre, hätte ich meine Eltern mit Wasser begossen und dem Frost überlassen. Aber es war kein Winter und auch kein Sommer irgendwie. Da fiel mir gar nichts ein.«
» Nein?«, fragte mich der Doc.
Und er fragte so, als hä tte ich nichts im Kopf. Was sollte einem Psychopathen schon groß einfallen? Genau das musste Dr. Klein gedacht haben.
» Es machte einfach nicht mit.«
» Was?«
» Das Wetter. Das deprimierte mich. Noch mehr als ich es sowieso schon war. Und dann kam noch das ganze Gekreische dazu. Da bin ich irre geworden, Dr. Klein. Verrückt.«
Der Doc rü mpfte die Nase. Gefiel ihm mein Rasierwasser nicht? Ich mochte den femininen Duft von Beeren. Süßer konnte ein Duft nicht sein, aber es passte zu mir. Pflege war mir wichtig.
Der Doc schmierte sich seinen Rotz, der ihm aus der Nase lief, an seiner Hand ab.
»Sind Sie krank, Dr. Klein?«
» Die Pollenzeit geht wieder los. Ich bin allergisch. Ist aber nicht so schlimm.«
Das erinnerte mich an was.
»David hatte auch Heuschnupfen. So wie Sie. David sagte aber nie, dass es nicht so schlimm ist. David lief das Zeug literweise aus der Nase. Das ständige Schnäuzen ging mir auf die Nerven. Seine vollgerotzten Taschentücher hat er immer überall liegen lassen. Das gefiel mir nicht, aber ich habe nichts gesagt. Ich wollte, dass dieser Schnupfen bald vorbei geht, denn diese Hautfetzen unter seiner Nase sahen echt übel aus. Das musste auch wehgetan haben.«
Dr. Klein lä chelte und holte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche. Anstand hatte er ja, besser als so eine schleimige Spur auf seiner Hand. Eine Hand die mir immer noch sehr gefiel.
Ich grinste.
»Alles vergeht mit der Zeit.«
Das sagte mein Vater auch gerne. Aber nichts verging. Es wurde nur noch schlechter, seit David tot war.
» Ja, Dr. Klein. Wenn es Winter war, dann hatte David keinen Schnupfen mehr. Der Winter hat schon Vorteile. Da hatte ich eine gute Zeit.«
» Ja?«
» Ich habe ihn nicht immer gehasst. Nicht im Winter. Da war David okay. Wir haben aus dem harten Schnee ein Iglu gebaut und uns darin verkrochen. Dann haben wir uns Märchen ausgedacht. David wollte gern Märchenerzähler werden, und das war gut. Er hatte eine schöne Stimme und einen Kopf voller Ideen. Ich habe ihm gerne zugehört. So Sachen wo die Mama versucht, ihre Kinder von einem bösen Drachen zu befreien. Ist doch unlogisch. Ich habe noch nie einen Drachen gesehen.«
Ich hä tte lieber auch Märchenerzähler werden sollen, denn Dr. Klein spitze seine Ohren. Es schien ihm zu gefallen, was ich zu
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