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Psychologische Homöopathie

Psychologische Homöopathie

Titel: Psychologische Homöopathie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip M. Bailey
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und bemüht sich, ihren gegenwärtigen Partner so zu verändern, daß er diesem Idealbild näherkommt. Um die Flamme ihrer romantischen Hoffnungen zu nähren, liest sie vielleicht gerne Herz-und-Schmerz-Romane oder die Liebesgeschichten in Frauenmagazinen. Wenn sie einen liebevollen und aufmerksamen Partner findet, wird sie dessen Liebe und Hingabe tausendfach erwidern und sich selbst für die glücklichste Frau der Welt halten. Nach wie vor ist sie unfähig, für sich selbst einzustehen, aber das hat sie ja auch nicht mehr nötig, denn sie bekommt, was sie will, und ihr Partner wird seinen Teil dazu beitragen, sie vor den Grausamkeiten des Lebens zu schützen. Diejenigen, deren Partnerschaft nicht ganz so glücklich ist, werden immer noch alles tun, um es ihrem Mann recht zu machen, aber über ihrem Seelenfrieden hängt eine dunkle Wolke, weil sie sich ständig vor Zurückweisung fürchten.
    Da die zarte Staphisagria in vielen Fällen so abhängig von ihrem Partner ist, leidet sie beträchtlich unter einer Trennung von ihm. Ich kannte einmal einen jungen Arzt, der ein zarter Staphisagria-Typ war. Er lebte mit seiner sehr labilen Ignatia-Verlobten zusammen, die ebenfalls Ärztin war. Mein Staphisagria-Freund sprach so sanft, daß man ihn kaum hören konnte, wenn im Hintergrund der Lärm des Straßenverkehrs ertönte oder der Fernseher lief. Er bemühte sich voller Hingabe, jeder Laune seiner ziemlich aufgeregten Verlobten gerecht zu werden, und wenn sie in schlechter Stimmung war, bat er seine Freunde still und entschuldigend, das Haus zu verlassen. Eines Tages nahm ich seinen Fall auf, und er erzählte mir, er sei immer mürrisch und rastlos, wenn seine Verlobte ein paar Tage nicht da sei. Er vermisse sie dann furchtbar und wisse nicht, was er je ohne sie tun solle (Kent: »Beschwerden durch Liebeskummer«). Wie alle zarten Staphisagrias war er eine empfindsame Seele, und wie viele von ihnen hatte er bestimmte spirituelle Praktiken und Überzeugungen übernommen. Diese erlaubten ihm nicht nur, die spirituelle Seite der Existenz zu erkunden, sondern rechtfertigten auch seine bereitwillige, zarte Art. Viele zarte Staphisagrias fühlen sich von Religionenund Philosophien angezogen, die bedingungslose Liebe und Pazifismus predigen und dazu auffordern, die andere Wange hinzuhalten. Es fällt ihnen leicht, solche Ansichten zu vertreten, aber leider ist das meist eine Folge ihrer Angst vor Aggression und weniger ein Zeichen spiritueller Entwicklung. (Letztere hat nichts mit der Flucht vor Aggression zu tun und stärkt eher die Persönlichkeit, statt einfach beruhigend zu wirken.)
    Mein Staphisagria-Arztfreund war sehr idealistisch. Er zuckte bei Geschichten über Grausamkeit zusammen und hatte beschlossen, als Missionsarzt in Afrika zu arbeiten. Während seines Medizinstudiums hatte er sich von den anderen Studenten ferngehalten, weil er für ihren vulgären Humor zu zartbesaitet war und sich nicht für ihre eher materialistischen und hedonistischen Unternehmungen interessierte. Seine hauptsächlichen Interessen waren spiritueller Art, und er verbrachte viel Zeit damit, komplizierte esoterische Bücher zu lesen und Violine zu spielen. Stets war er bereit, jemandem zu helfen, der in Not war, oder sich den Standpunkt eines anderen anzuhören, und die meisten Leute hätten ihn wohl für einen perfekten Christen gehalten. Das könnte stimmen, wenn man der Ansicht ist, daß Christi Kinder alle ebenso mild, gehorsam und gütig wie Christus selbst sein sollten, aber es heißt nicht, daß dieser Mann psychisch gesund war. Unter der Staphisagria-Zartheit liegt eine Schicht erheblicher Ängste, und darunter liegt eine Schicht Ärger und Wut. Dieser Ärger kann jedoch nur durch die tiefste Form der Psychotherapie erreicht werden. Der zarte Staphisagria-Typ bewundert vielleicht die Kraft der Entrüstung, mit der Jesus die Geldverleiher aus dem Tempel vertrieb, aber er findet kaum genügend Mut, um es ihm gleichzutun. Angesichts eines aggressiven Widerstands weicht er entweder zurück oder argumentiert freundlich, und wenn er damit nichts ausrichten kann, zittert er wahrscheinlich vor Angst und verspürt nach der Auseinandersetzung körperliche Übelkeit. Nur wenige von uns sind entspannt und voller Selbstvertrauen, wenn sie von einem Fremden bedroht werden, aber der zarte Staphisagria verliert bei einer direkten Aggression stärker als andere die Fassung und wird sich noch Stunden oder Tage danach nervös fühlen (Kent:

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