Psychologische Homöopathie

besonderem Maße zu schwerer oder pathologischer Eifersucht, und zu ihnen gehören Lachesis und ganz besonders Hyoscyamus. Eifersucht ist pathologisch, wenn sie grundlos auftritt und nicht die geringste Gefahr besteht, daß ein Nebenbuhler auftauchen oder man den Geliebten verlieren könnte.
    Die Eifersucht, die Hyoscyamus empfindet, kann so gewaltig sein, daß sie das Leben der Patientin und ihres Partners vollkommen beherrscht. Charakteristisch für die krankhafte Eifersucht von Hyoscyamus ist, daß sie von Wutanfällen begleitet wird. Eine Hyoscyamus-Frau kann völlig normal wirken, bis sie eifersüchtig wird und sich in eine beißende, tretende, schreiende Wahnsinnige verwandelt (Kent: »Eifersucht«, »Verlangen zu schlagen«).Manchmal gelingt es ihr auch, ihre Wut unter Kontrolle zu halten, aber man fühlt sie trotzdem ganz deutlich.
    Die Eifersucht von Hyoscyamus beschränkt sich nicht auf Sexualpartner. Eine Hyoscyamus-Patientin erzählte rnir, als Kind sei sie »von Eifersucht überwältigt« worden, als ein anderes Mädchen ihr eine ihrer Freundinnen ausgespannt habe, und diese Eifersucht habe wochenlang angehalten.
Religiosität
    Einige Hyoscyamus-Menschen entwickeln eine stark religiöse Haltung (wie Veratrum und Anacardium), und ihr religiöser Glaube wird dann zum Vehikel für ihre Wahnvorstellungen und Halluzinationen. (Kent: »Frauen, die besonders fromm sind, haben religiöse Anwandlungen. Sie reden sich ein, daß sie infolge ihrer Sünden oder irgendwelcher schrecklichen Handlungen verdammt wären«.) Wie Kent hervorhebt, leiden diese religiösen Hyoscyamus-Menschen unter Schamgefühlen und der Purcht, verdammt zu sein. Das hat zum Teil mit ihren starken sexuellen Impulsen zu tun. Eine meiner Patientinnen, eine angenehme, aber sehr nervöse Frau von ungefähr 40 Jahren, hatte mich ursprünglich aufgesucht, weil sie oft Angst hatte, besonders wenn sie mit anderen Leuten reden mußte. Ich fand allmählich heraus, daß sie sehr religiös war und daß sie von sexuellen Gedanken gequält wurde, die sie für unrein hielt. Sie erzählte mir, wenn sie zur Kirche gehe, habe sie die Vision, daß Jesus am Kreuz masturbiere. Diese Vorstellung verstörte sie, erregte sie aber gleichzeitig auch sexuell. Nach einigen Dosen Hyoscyamus 10M hatten ihre Ängstlichkeit und Geschwätzigkeit deutlich nachgelassen, und ihre religiösen Visionen wurden angenehmer. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, die religiöse Hyoscyamus mit der religiösen Platina zu vergleichen. Beide haben ein starkes sexuelles Verlangen, das mit religiösen Visionen verquickt sein kann. Nach meiner Erfahrung besteht der hauptsächliche Unterschied darin, daß die Visionen von Hyoscyamus ein Ausmaß an Obszönität enthalten, das bei Platina nicht üblich ist. Das entspricht der charakteristischen Obszönität, die sich bei Hyoscyamus durch das gesamte Arzneimittelbild zieht, einschließlich der Faszination, die Kinder und geisteskranke Hyoscyamus-Patienten in bezug auf ihren Kot und Urin empfinden (Kent: »Sprache veranschaulicht durch Urin, Kot und Kuhdung«), und der typischen Anziehungskraft, die sexuelle Schimpfworte für Hyoscyamus haben. Im Gegensatz dazu neigt Platina mehr zu ekstatischen Visionen, in denen sie die Braut Christi ist oder sexuelle Beziehungen zu einem Naturgeist hat.
    Eine bei Hyoscyamus-Menschen sehr verbreitete Form der Religiosität ist die Beschäftigung mit New-Age-Themen wie Auralesen, Kristalle etc. Wie Natrium muriaticum findet Hyoscyamus die spirituelle Dimension der New-Age-Bewegung attraktiv, ist davon aber noch stärker besessen als Natrium.
Wut, Manie und Delirium
    Wie Stramonium hat Hyoscyamus mächtige sexuelle und gewalttätige Triebe in seinem Unterbewußtsein, die in Phasen geistiger Störung dramatisch aufbrechen können. Dazwischen ist der starke Sexualtrieb meist offensichtlicher als die Neigung zur Gewalttätigkeit, was bei Stramonium genau entgegengesetzt ist. Hyoscyamus-Menschen neigen zu starken Gefühlen von Ärger, aber es gelingt ihnen meist, ihre Wut zu beherrschen, es sei denn, sie befinden sich in einer echten psychotischen Phase, oder sie sind vorübergehend blind vor Eifersucht.
    Selbst während einer psychotischen Phase zeigt Hyoscyamus nach meinem Eindruck mehr sexuelle Interessen, vor allem exhibitionistische Neigungen, als Gewalttätigkeit. Ich war einmal Zeuge einer solchen Episode bei einer älteren Dame, die schon seit mehreren Jahren wegen einer Mischung aus Arthritis,