Psychopath
verdiene.«
Vielleicht war McCormick verletzlicher, als Clevenger gedacht hatte. Vielleicht hatte er sie wirklich bis ins Mark erschüttert. »Was hast du jetzt vor?«, fragte er sie.
»Ihn mir zu verdienen.«
Clevenger hörte eine Mischung aus Trotz und Heimlichkeit in ihrer Stimme, die ihm sagte, dass McCormick noch lange nicht mit dem Highwaykiller-Fall abgeschlossen hatte. »Und wie willst du ihn dir verdienen?«
»Unser Mann hat Sally Pierce umgebracht, daran besteht kein Zweifel. Der Brief war mit ihrem Blut befleckt. Er wurde von einem FedEx-Briefkasten rund fünfzig Meilen von Bitter Creek entfernt abgeschickt. In Creston. Wenn er sich im Zustand der Auflösung befindet, wie du sagst, vielleicht hatte er diesen Mord dann überhaupt nicht geplant. Vielleicht war er nicht zufällig auf der Durchreise. Vielleicht ist er immer noch in der Gegend.«
»Versuch nicht, diesen Burschen auf eigene Faust zu schnappen, Whitney«
Sie antwortete nicht.
»Du bist Psychiaterin, kein Cop. Es ist nicht deine Aufgabe, ihn zu fassen. Schon gar nicht jetzt, ohne die Unterstützung des FBI. Und schon gar nicht, wenn er bereits auf dich als ›Jägerin‹ fixiert ist.«
»Vielleicht hat er genau davor Angst.«
»Was?«
»Dass ich diejenige bin, die ihn tatsächlich finden kann. Dass ich wirklich die Tochter meines Vaters bin.«
»Oder vielleicht stellt er dir eine Falle«, hielt Clevenger dagegen. »Vielleicht will er, dass du ihm nachspürst.«
»Ich kann auf mich aufpassen.«
»Es gibt andere Wege, das zu beweisen, ohne dich in Gefahr zu begeben.«
»Das ist ein interessanter Rat aus deinem Mund. Du bist nie auf Nummer Sicher gegangen.«
»Und ich habe dafür bezahlt.«
»Ich melde mich in den nächsten Tagen«, versprach McCormick.
»Whitney!«
Sie legte auf.
Clevenger rief umgehend bei North Anderson zu Hause an.
»Was gibt’s?«, fragte Anderson.
»Die Psychiaterin, mit der ich beim FBI zusammengearbeitet habe, Whitney McCormick, hat ihren Job hingeschmissen.«
»Und?«
»Sie und ich sind uns näher gekommen. Das war der Auslöser für ihre Kündigung. Der Highwaykiller muss uns zusammen in Utah gesehen haben. Er hat in einem Brief an die Times darüber geschrieben. Der Brief wurde heute Morgen veröffentlicht.«
»Der Kater lässt das Mausen nicht«, bemerkte Anderson. »Ich hoffe, sie war es wert.«
»Ich glaube, sie hat es sich in den Kopf gesetzt, den Highwaykiller auf eigene Faust zu finden, ihren Job zurückzubekommen – was auch immer. Wenn sie nicht aufpasst, wird sie noch selbst das nächste Opfer.«
»Willst du, dass ich nach dem Rechten schaue?«
»Ich glaube, sie ist auf dem Weg nach Wyoming«, sagte Clevenger. »Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ich kann kein Auge auf sie halten, ohne dass sie es merkt. Und darüber hinaus braut sich hier ein Sturm mit dem Jugendamt zusammen.«
»Ich lass jemanden die Fluggesellschaften abklappern«, sagte Anderson. »Wenn sie einen Flug gebucht hat, werde ich in derselben Maschine sitzen.«
»Ich schulde dir was.«
»Wir haben längst aufgehört, unsere Schulden aufzurechnen, Partner.«
Clevenger verbrachte die nächsten drei Stunden damit, seine Antwort auf den Brief des Highwaykillers zu verfassen. Er war überzeugt, dass der Mörder projizierte, als er fragte, ob Clevenger jemals bedingungslos geliebt worden sei: Niemand hatte den Mörder bedingungslos geliebt, schon gar nicht die Mutter, die er seinen »Engel« nannte. In Anbetracht zweierverstümmelter Leichen von Frauen über sechzig entschied Clevenger, es mit der Theorie zu versuchen, die er und Billy sich überlegt hatten: dass der Mörder von einer Frau aufgezogen worden war, die in einem Moment zärtlich und im nächsten Moment brutal sein konnte. Er ahmte diese Dynamik nach – kam seinen Opfern nahe, bevor er ihnen die Kehle durchschnitt.
Es war an der Zeit, den psychischen Druck zu verstärken. Wenn der Mörder tatsächlich glaubte, dass Paulette Bambergs Leiche nicht schlimmer verstümmelt war als die anderen, dann besaß er die Fähigkeit, vollständig mit der Realität zu brechen. Psychose. Und wenn Clevenger diesen Bruch herbeiführen könnte, dann würde das Vermögen des Mörders, rational zu überlegen, zu taktieren und sich einer Festnahme zu entziehen, ausgelöscht.
Der Brief zielte darauf ab, die brüchigen Schutzwälle des Highwaykillers niederzureißen und den schwelenden Wahnsinn darunter zu demaskieren:
Gabriel,
Sie haben gefragt, ob ich je wahre Liebe
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