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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Nase für den anderen Jungen und eine geschwollene Lippe für Billy. Es sah wirklich nach einer schlichten Kinderei aus. Und der andere Junge trug die größere Schuld. Darüber hinaus war Footballsaison. Billy konnte so ziemlich jeden davon abhalten, einen Fuß über die Scrimmagelinie zu setzen. Er war bereits fast eins achtzig groß, brachte achtzig Kilo auf die Waage – alles Muskeln – und besaß die Reflexe eines Panters. Also war die Schule nachsichtig mit ihm. Ein Monat unter Verwarnung, zwei Abende die Woche Freiwilligendienst in einem örtlichen Obdachlosenasyl. Dann war der Monat auch schon vorbei, und alles war vergeben und vergessen.
    Doch sechs Wochen später steckte Billy wieder in Schwierigkeiten. Er war erneut in eine Prügelei verwickelt, diesmal mit zwei Freunden des ersten Jungen, mit dem er sich angelegt hatte. Billy servierte beide ab. Einer ging mit einem angebrochenen Kiefer nach Hause. Der andere musste sich eine Platzwunde in der Kopfhaut mit sechs Stichen nähen lassen. Nichtsdestotrotz waren es zwei gegen einen gewesen, und eswar noch immer Footballsaison, also hatte Dekan Walsh die Sache nicht allzu schwer genommen. Ein weiterer Monat unter Verwarnung. Ein weiterer Monat Gemeindedienst.
    Clevenger hatte sich bedeutend mehr Sorgen gemacht. Denn er kannte Billys Vergangenheit besser als Dekan Walsh. Er wusste, wenn Billy sich damit begnügt hatte, jemandem eine blutige Nase oder einen gebrochenen Kiefer zu verpassen, dann hatte das mehr mit Glück denn mit Selbstkontrolle zu tun. Vielleicht hatten seine Gegner hinreichend schnell und lautstark kapituliert. Vielleicht waren sie schlau genug gewesen wegzulaufen. Oder vielleicht mochte Billy die drei irgendwie, ungeachtet der Tatsache, dass sie ihm auf die Nerven gingen. Denn es hatte andere Zeiten in Billys jungem Leben gegeben – die Jahre, da er zwischen einem Penthouse in Manhattan und einem Anwesen am Ozean von Nantucket gependelt war in denen er sich nicht hatte beherrschen können, nicht bis nicht der eine oder andere Rabauke reglos am Boden lag, mit eingeschlagenem Schädel und glasigem Blick.
    Clevenger wusste, dass Billys Gewalttätigkeit, zusammen mit seinen wiederholten Jugendstrafen für Einbruch und Vandalismus, ihn einst wie einen typischen Soziopathen hatte aussehen lassen.
    Doch das Verhängnisvollste von allem war, wie Clevenger wusste, dass Billy in seiner Kindheit das Opfer schwerer und langjähriger Misshandlung gewesen war – brutale Schläge von der Hand seines milliardenschweren Adoptivvaters, Schläge, die tiefe Narben auf seinem Rücken und noch tiefere in seiner Psyche hinterlassen hatten. Diese Art von Misshandlung konnte die Fähigkeit eines Menschen, das Leid anderer zu begreifen, lahm legen. Manchmal für immer.
    Clevenger und Billy lebten seit knapp über einem Jahr zusammen in einem Hundertfünfundsiebzig-Quadratmeter-Loft in einer umgebauten Fabrik in Chelsea. Und so hart sichdie Umgewöhnung für Billy auch gestaltet hatte, für Clevenger war sie härter gewesen.
    Wenigstens wurde Billy nicht mehr geschlagen, wurde nicht mehr gnadenlos von einem Milliardär angetrieben, der es darauf abgesehen hatte, ihn nach seinem eigenen perversen Abbild zu formen. Mit siebzehn Jahren konnte er endlich anfangen, er selbst zu sein, Schritt für Schritt.
    Clevenger hingegen musste sich beständig zügeln – zumindest jene Teile von ihm, die nicht zum Vater eines Jugendlichen passen wollten. Das bedeutete, dass er nüchtern bleiben musste, dass er sich von der Rennbahn fern halten musste, dass es mit dem ständigen Kommen und Gehen von Frauen, die sich in seinem Loft die Klinke in die Hand gegeben hatten, so lange Clevenger sich erinnerte, ein Ende haben musste. Es bedeutete, sich von all den tröstlichen Süchten loszusagen, die seinen emotionalen Schmerz im Zaum gehalten hatten. Das war nicht leicht gewesen. Und es war noch immer nicht leicht. In der Hinsicht hatte North Anderson durchaus Recht.
    Natürlich hatte niemand behauptet, dass es leicht werden würde. Das Jugendamt hatte anfänglich Clevengers Antrag, Billy zu adoptieren, mit Skepsis betrachtet, und ihre Bedenken beschränkten sich nicht nur auf die Tatsache, dass Clevenger allein erziehender Vater wäre und seinem Beruf besondere Gefahren innewohnten, sondern sie richteten sich vor allem gegen seine Beweggründe für die Adoption. Clevenger hatte mehrere Jahre zuvor einen jugendlichen Patienten namens Billy Fisk durch Selbstmord verloren, und seine

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