Psychopath
J AHRZEHNTS . Er hatte außerdem Bishops anderen Sohn adoptiert, einen emotional gestörten Jungen namens Billy, der in dem Mordfall der Hauptverdächtige gewesen war – bis Clevenger seine Unschuld bewiesen hatte. Billys Foto, das neben dem von Clevenger auf der Titelseite der Newsweek abgedruckt war, trug die Unterschrift: »... und ermöglicht dem jungen Billy Bishop einen Neuanfang.«
Billy war zum Zeitpunkt des Mordes erst sechzehn und hätte vor den Medien beschützt werden müssen. Doch die Öffentlichkeit konnte vom Fall Bishop gar nicht genug bekommen, und der Bezirksstaatsanwalt hatte nur zu gern jeden Brocken an Information über Billy an sie verfüttert – solange es Billys Schuld zu untermauern schien. Als er schließlich von jeglichem Verdacht freigesprochen war, hatten sich die Medien nur umso gieriger auf ihn gestürzt. Billy war jung, hartgesotten und sah gut aus. Seine gewalttätige Vergangenheit ließ die unterschwelligen Fantasien aller jungen Mädchen blühen. Jay Leno wollte ihn in seiner Show haben. Couric besuchte Billy kurz vor seiner Freilassung aus dem Gefängnis. Die Produzenten von Inselduell boten ihm zweihunderttausend dafür, einer ihrer Kandidaten zu werden. Zum Glück war Clevenger zu dem Zeitpunkt bereits sein legaler Vormund und lehnte ab.
»Denkst du wirklich, das FBI braucht die Publicity?«, fragte Clevenger.
»Irgendetwas brauchen sie jedenfalls, so viel ist sicher«, erwiderte Anderson. »Sie stehen mächtig unter Beschuss, weil dieser Kerl noch immer frei herumläuft. Wenn sie der Presse was über ein Treffen mit dir zustecken, dann sind sie augenblicklich in den Schlagzeilen. Es sieht dann so aus, als würden sie wirklich nichts unversucht lassen. Und damit besänftigen sie die Öffentlichkeit – zumindest für eine Weile. Solange du offiziell an dem Fall arbeitest, werden alle Augen auf dich gerichtet sein. Und du bist derjenige, der unter Beschuss gerät, wenn die nächste Leiche auftaucht.«
»Okay, vielleicht muss ich am Ende eine Schlappe einstecken«, hielt Clevenger dagegen. »Seit wann machen wir uns Sorgen um mein Image? Du bist mein Partner. Willst du jetzt auch noch mein Agent werden?«
»Tu, was du willst«, sagte Anderson. »Aber denk immer dran, ich hab dich gewarnt.«
»Ich hatte nicht vor, die Sache allein zu machen.«
Anderson fuhr mit einem Finger über die wulstige rosa Narbe über seinem rechten Auge, etwas, das er immer tat, wenn er Probleme auf sich zukommen sah. »Wie ich schon sagte, wir haben ‘ne Menge am Hals. Der Fall Conway Bramble. Vega. Sie mögen ja nicht landesweit Schlagzeilen machen, aber sie waren zuerst da. Ich halte hier die Stellung.«
»So überarbeitet sind wir nun auch nicht«, entgegnete Clevenger. »Hast du wirklich ein so schlechtes Gefühl bei dieser Sache?«
»Ich brauche das einfach nicht«, sagte Anderson und starrte ihn an. »Das ist alles.«
»Ah.« Clevenger lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück. »Jetzt begreife ich. Du denkst, dass ich es brauche. Du denkst, ich bin scharf auf die Publicity. Ich brauche sie.«
Anderson hielt abwiegelnd seine Hände hoch. »Vergiss, dass ich was gesagt habe.«
»Nein. Bitte. Sag mir, was du denkst.«
Anderson schüttelte den Kopf. »Du willst es nicht hören.«
»Solange du dir wirklich nur Sorgen darüber machst, ich könnte mein Ego überfüttern – oder deins könnte ein wenig angeschlagen enden.«
»Was soll das denn heißen?«, wollte Anderson wissen.
»Vielleicht gefällt es mir tatsächlich, wenn ich in den Schlagzeilen bin«, sagte Clevenger achselzuckend. »Und tief in deinem Herzen gefällt dir genau das vielleicht nicht.«
»Ich soll eifersüchtig sein?«, fragte Anderson schmunzelnd. »Du denkst, dass es darum geht?« Er verschränkte seine muskulösen Arme. »Okay. Dann sag ich dir mal, was ich wirklich denke, tief in meinem Herzen: Ich denke, du hast den Schnaps aufgegeben, und du hast das Koks aufgegeben und du hast aufgehört, deine Zukunft auf der Rennbahn zu verwetten, und es ist wirklich toll, dass du Billy aufziehst, und du solltest damit zufrieden sein. Denn tief drinnen bist du noch immer ein Spieler, Frank. Du liebst den Nervenkitzel immer noch mehr, als gut für dich ist. Tief drinnen willst du noch immer alles aufs Spiel setzen. Aber jetzt ist der Einsatz höher als nur deine eigene Zukunft. Da ist auch Billys Zukunft. Und meine. Weil wir Partner sind. Also, warum gehst du es nicht etwas ruhiger an? Ich sag ja nicht, dass es für
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