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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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seine Stimme ruhig zu halten. Es kam keine Antwort. Er legte seine Hand auf Billys breite Schulter. Er konnte die Anspannung in den Muskeln fühlen. »Was hältst du davon, wenn wir im Auto über alles reden?«
    Billy sah hoch. Zorn loderte in seinen eisblauen Augen, und seine Oberlippe zitterte. Selbst bei allerbester Laune besaß sein Gesicht, obwohl eines Filmstars würdig, noch immer etwas Einschüchterndes, etwas Grimmiges und Finsteres im Zusammenspiel der vollen Lippen, der hohen Stirn und der tief liegenden Augen. Der dünne Goldring, den er im linken Nasenflügel trug, half auch nicht. Wenn Billy wütend war, selbst nur ein bisschen wütend, sah er gefährlich aus. Wie jetzt.
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, sagte Clevenger. »Du bist sauer? Auf dich selbst, hoffe ich.«
    »Ich scheiß auf diesen Laden«, sagte Billy. Er stand auf und stürmte aus dem Vorzimmer.
    Eine Hälfte von Clevenger wäre ihm am liebsten hinterhergelaufen und hätte ihn in den Arm genommen, die andere Hälfte wäre ihm lieber hinterhergelaufen und hätte ihn zu Boden geworfen. Also hielt er sich zurück und ging ruhig und gelassen aus dem Vorzimmer und den Korridor hinunter auf den Ausgang zu. Er schien unablässig nach dem richtigen Rezept für den Umgang mit Billy zu suchen – wie viele Teile Trost auf wie viele Teile Disziplin. Schwer zu sagen, ob die zerbrochenen Teile seiner Persönlichkeit besser heilten, wenn sie strikt geschient oder wenn sie sanft in warmem Wasser gebadet wurden. Clevenger wollte das Richtige tun, wollte ihm ein guter Vater sein, doch es war hart, besonders weil er selbst nie einen guten Vater gehabt hatte.
    Selbst Billys Aussehen warf die Frage auf, wie streng man mit ihm sein sollte. Seine Dreadlocks zum Beispiel. In Auden Prep hatte sich Billy damit eindeutig an der äußersten Grenze des erlaubten Geschmacks bewegt. Doch Clevenger wusste, dass Billys Entwicklung jahrelang verkümmert war. Also hatte er, als Billy vor zwei Monaten mit seiner neuen Frisur heimgekommen war, darin ein positives, wenn auch unvermitteltes Zeichen von Billys wachsendem Selbstbewusstsein gesehen. Und hatte einfach nur gelächelt und ihm die Wahrheit gesagt: »Ich finde, es sieht cool aus.«
    Was den Nasenring anging, war Clevenger ebenso ehrlich gewesen. »Ich steh einfach nicht auf so etwas«, hatte er gesagt. »Aber andererseits muss ich das Ding ja nicht tragen.«
    Darum ging es, oder nicht? Billy suchte nach einer Identität. Seiner Identität. Niemandes sonst.
    Die Tätowierung auf Billys Rücken war da schon ein wenig besorgniserregender. Die Tinte überdeckte die willkürlichen Narben, die der Riemen seines Vaters hinterlassen hatte. Ein blauschwarzer, zehn Zentimeter großer Schädel mit gekreuzten Knochen prangte zwischen seinen Schulterblättern. Darunter stand in Schnörkelschrift der Titel seines Lieblingslieds von den Rolling Stones: »Let It Bleed«.
    Billy hatte erklärt, dass die Tätowierung sein Weg sei, sich die Narben zu Eigen zu machen, sie in die Mahnung zu verwandeln, seine wahren Emotionen nicht zu unterdrücken – sich seinem Schmerz zu stellen, statt ihn zu verdrängen.
    Wie konnte man dagegen etwas einwenden?
    Doch vielleicht hätte er etwas dagegen einwenden sollen, dachte Clevenger. Vielleicht hätte er gelegentlich etwas strenger sein sollen, selbst wenn er das eine oder andere Mal überreagiert hätte. Denn die Entscheidungen, die Billy für sich traf, wurden immer finsterer.
    Als er hinaus auf den Parkplatz von Auden Prep trat, lehnte Billy am vorderen Kotflügel seines schwarzen Pick-ups, eines Ford F 150. Clevenger ging an ihm vorbei zur Fahrertür.
    »Ich hab das nicht gemacht, was Walsh behauptet«, erklärte Billy
    Clevenger hielt inne, die Hand am Türgriff. Er schüttelte den Kopf.
    »Ich hab’s nicht getan«, sagte Billy nachdrücklicher.
    Clevenger drehte sich um und sah, dass Billy ihn über die Motorhaube hinweg anstarrte. Sein Gesichtsausdruck hatte von Zorn zu Entrüstung gewechselt. Er schien zutiefst beleidigt über die Anschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht worden waren. Aber das war Teil des Problems mit Billy. Bei einem Vater aufzuwachsen, der ein Geständnis vorzugsweise mit Prügeln belohnte, hatte Billy zu einem guten Lügner gemacht. »Steig ein«, befahl Clevenger. Er öffnete die Fahrertür und setzte sich in den Wagen.
    Billys Kiefer mahlten wieder. Er strich aufgebracht sein Haar zur Seite und ging zur Beifahrertür. Er stieg ein, dann saß er stumm da und

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