Psychopath
aufmarschiert, nur um meine Meinung dazu zu hören.« Er faltete die Zeitung auseinander.
»Der Brief ist an dich.«
Clevenger erstarrte und sah Anderson an.
»Er muss die Berichterstattung gesehen haben, als du das FBI abgewiesen hast. Ich schätze, das hat ihm gefallen.«
Clevenger breitete die Zeitung aus. Sein Herz pochte laut, als er die Schlagzeile in der rechten oberen Ecke der Titelseite las: H IGHWAYKILLER HOFFT AUF H EILUNG . Er las weiter:
Exklusivbericht der Times
Am 26. März 2003 hat diese Zeitung einen Brief von jemandem erhalten, der vorgibt, der Highwaykiller zu sein, jener Serienmörder, auf dessen Konto wenigstens vierzehn Morde im gesamten Land gehen.
Der Brief, adressiert an unseren Chef vom Dienst, ist ein persönlicher Appell an Dr. Frank Clevenger, jenen forensischen Psychiater aus Boston, der durch die Aufklärung des Mordes an der kleinen Brooke Bishop auf der Insel Nantucket bekannt geworden ist. Im Brief angeführte Fakten haben uns überzeugt, dass das Schreiben echt ist.
Nach reiflicher Überlegung von redaktioneller Seite und nach Rücksprache mit dem Federal Bureau of Investigation drucken wir den Brief in voller Länge ab. Wir behalten uns das Recht vor, über den Abdruck möglicher zukünftiger Korrespondenz im Einzelfall zu entscheiden.
»Kane Warner«, sagte Clevenger und sah Anderson an.
»Wer sonst«, pflichtete Anderson bei. »Jemand muss der Times grünes Licht gegeben haben, den Brief abzudrucken.«
»Und jemand muss sie überzeugt haben, ihn abzudrucken, ohne mich zu informieren.«
»Auf die Weise konntest du dir keinen Anwalt besorgen, um die Veröffentlichung per einstweiliger Verfügung zu stoppen.«
»Denkst du, dass der Brief echt ist?«, fragte Clevenger.
Anderson nickte. »Nimm dir ein paar Minuten und lies ihn, und dann reden wir darüber, was wir als Nächstes tun.«
Clevenger hörte das wir klar und deutlich. »Danke«, sagte er.
»Gern geschehen.« Anderson drehte sich um und ging hinaus.
Clevenger setzte sich an seinen Schreibtisch, gebannt bereits vom ersten Satz:
Ich bin getränkt und besudelt vom Blut anderer, doch ich habe Güte in meinem Herzen. Ich habekein Motiv zum Töten, doch ich kann nicht aufhören zu töten. Mein Hunger nach dem Leben anderer ist stärker als der Hunger nach Nahrung oder Sex oder Wissen. Er ist unwiderstehlich.
Ich habe überlegt, meinem Leben ein Ende zu setzen. Ich habe halbherzige Versuche gemacht. Halbherzig, da es kein Sieg wäre, mein gesamtes Ich zu zerstören. Ebenso wenig wäre es ein Sieg, mich irgendeiner »Obrigkeit« zu stellen, um dann von engstirnigen Männern gerichtet und wie ein Tier in einen Käfig eingesperrt zu werden.
Der göttliche Weg wäre es, die Dunkelheit in meiner Seele zu besiegen, auf dass das ewige Licht befreit wird und scheinen kann. Und der einzig rechtmäßige Richter über meinen Erfolg oder mein Versagen in jener erhabenen Mission ist unser Herr Jesus Christus, der König des Universums.
Denn ist mein Kampf nicht ein Spiegelbild des ewigen Kampfes der Menschheit? Ist meine Existenz nicht ein Mikrokosmos menschlicher Hoffnung auf den Sieg des Guten über das Böse? Indem ich mich meiner Destruktivität stelle, mache ich da nicht den ersten Schritt auf meine Erlösung zu?
Und wenn ich erlöst bin, wird uns dann nicht allen ein kleiner Anteil an der Erlösung zuteil? Wenn ich wieder auferstehe, steht dann nicht die gesamte Menschheit mit mir zusammen auf?
Ich höre Jungs Worte:
»Es ist eine traurige Wahrheit, dass unsere Welt und das Leben aus unerbittlichen Gegensätzen besteht, aus Tag und Nacht, Wohlergehen und Leid, Geburt und Tod, Gut und Böse. Wir sind nicht einmal sicher, dass eins das andere aufwiegt, das Gute das Böse oder die Freude den Schmerz. Leben und Welt sind ein Schlachtfeld der beiden. So ist es immer gewesen, und so wird es immer sein; und wenn es nicht so wäre, würde alle Existenz ein Ende haben.«
Helfen Sie mir, diesen Kampf zu führen. Mein Armageddon. Helfen Sie mir, gut und anständig, wie ich einst war, wieder geboren zu werden. Seien Sie mein Heiler.
Ich bin ein Mann. Ich stehe in der Mitte meines Lebens. Ich bin nie im Gefängnis gewesen. Ich bin nie in psychiatrischer Behandlung gewesen. Ich höre keine Stimmen. Ich habe keine Visionen. Ich konsumiere weder Alkohol noch illegale Drogen. Ich leide an keiner körperlichen Krankheit.
Mein IQ liegt im Bereich des Genies, doch mein Intellekt ist kein Schutzschild gegen die niedrigen
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