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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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gehört. Im Winter fährt da nie jemand rauf.«
    Billy hätte nicht in Worte fassen können, warum er sich absetzen wollte. Und er hätte die Wahrheit geleugnet – dass er um Clevengers Aufmerksamkeit buhlte. Er wusste nur, dass er sich lausig fühlte – gleichermaßen einsam und besorgt und wütend – und dass er vor diesem Gefühl weglaufen musste. »Du darfst es aber niemandem verraten«, sagte er.
    »Würde ich das tun?« Sie ließ ihre Hand über Billys geschmeidigen, muskulösen Bauch gleiten. »Geh noch nicht gleich.«
    Er hatte Sex mit Casey, wie er Gewichte stemmte – um zu beweisen, dass er stark war, dass er ein echter Mann war, dass er unverwundbar war. Er wollte sie überall berühren, um zu beweisen, dass er unberührbar war. Und wenn sie ihre Beine anspannte, ihr Kreuz durchbog und aufschrie, hatte er das Gefühl, ihm würde eine große Last von den Schultern genommen, und er seufzte in einer Weise, die das Mädchen fälschlicherweise annehmen ließ, er sei gleichzeitig mit ihr gekommen. In Wahrheit war er längst fort.Casey verließ den Loft als Erste. Billy räumte die Überreste ihrer Joints weg, schrieb eine Nachricht, dass er »ein paar Tage« weg sein würde, dann verließ er das Haus durch den Hinterausgang im Keller, um den Reportern zu entgehen, die sich auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude drängten. Er nahm den Pendlerzug von Chelsea zur Bostoner South Station und kam gerade rechtzeitig, um mit dem »Vermonter« der Amtrak Punkt vierzehn Uhr fünfzig nach Burlington abzufahren, über Springfield, Massachusetts, eine Fahrt von insgesamt neuneinhalb Stunden.
    Er schlief den ganzen Weg nach Springfield. Dort hatte der Zug zwei Stunden Aufenthalt, also genehmigte er sich einen Cheeseburger und Fritten und durchstöberte die Geschäfte im Bahnhof. Er kaufte sich eine verspiegelte Sonnenbrille und ein Halstuch. An einem Zeitungskiosk entdeckte er die New York Times, überflog die Titelseite und sah, dass sie einen weiteren Brief vom Highwaykiller abgedruckt hatten, jenen, den Clevenger einen Tag zuvor gelesen hatte, bevor er nach Utah aufgebrochen war, um dort Paulette Bambergs Leiche zu finden. Billy versuchte sich zu zwingen, einfach daran vorbeizugehen, versuchte sich zu beweisen, wie wenig ihn kümmerte, was Clevenger trieb, wie klar und deutlich er verstanden hatte, dass er sich aus Clevengers Angelegenheiten und aus seinem Leben heraushalten sollte. Doch er schaffte es nicht ganz. Weil es ihm eben nicht egal war. Er kaufte eine Ausgabe, klemmte sie sich unter den Arm und sagte sich, dass er sie im Zug lesen würde – wenn, und genau dann, wenn ihm danach zumute war.
     
    Die Zeitverschiebung und eine einstündige Verspätung seines Rückflugs nach Boston führten dazu, dass Clevenger erst um kurz vor einundzwanzig Uhr zu seinem Loft zurückkehrte. Dort wartete noch immer ein Dutzend Fernseh- und Zeitungsreporter, die ihn mit ihren Fragen überfielen, ob er tatsächlich seine Verbindung mit dem FBI gekappt habe, ob der Highwaykiller bei ihrer öffentlichen Psychotherapie die Oberhand gewinne oder nicht, ob der Highwaykiller seiner Schätzung nach jung oder alt, schwarz oder weiß, vielleicht sogar eine Frau sei. »Kein Kommentar« lautete seine einzige Antwort, während er sich einen Weg durch die Menge bahnte und jetzt eine Salve bedeutend persönlicherer Fragen heraufbeschwor, auf die Clevenger überhaupt nicht antwortete: Hatte er seinen Drogenkonsum wirklich unter Kontrolle? Hatte er sich je harte Drogen gespritzt? Hatte er das Jugendamt über seinen Drogenkonsum in Kenntnis gesetzt, bevor er Billy Bishop adoptiert hatte? Würde er jene Information jetzt enthüllen?
    Er hatte schon fast die Eingangstür erreicht, als Josh Resnek, der Herausgeber des lokalen Chelsea Independent, ihm eine Frage zurief, die ihn stehen bleiben und sich widerstrebend umdrehen ließ. »Was passiert, wenn Sie diesen Kerl heilen, aber nie schnappen?«, fragte Resnek. »Können Sie damit leben, Doc?«
    Die anderen Reporter verstummten.
    Resnek war ein hoch gewachsener Mann um die fünfzig, schlecht rasiert, mit verwitterter Haut und einem vollen, ewig zerzausten Schopf grauer Haare. Er sah aus wie der Trommler auf dem Gemälde Spirit of ‘76, nur gute zwanzig Jahre jünger. Damals, als Clevenger seine Tage noch mit drei Scotch in der Alpine Lounge ein Stück die Straße von seinem Loft runter beschlossen hatte, war Resnek – teils Reporter, teils Philosoph, teils Genie, teils Irrer – so ziemlich die

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