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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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jemanden dort kennen gelernt. Oder sie geht auf eine der Schulen, mit denen Auden Prep seine ›bunten Abende‹ veranstaltet.« Er seufzte. »Nach allem, was ich weiß, könnte sie sein Dealer sein.«
    »Ich fang mit der Werft an, dann fahr ich zur Auden Prep«, erklärte Anderson. »Wir werden sie finden. Mit etwas Glück kann sie uns sagen, wo er hin ist.«
    »Ich kenne ein paar Cops in Newburyport«, sagte Clevenger. »Ich kann denen Bescheid sagen.«
    »Ich kümmere mich um alles, Frank. Ich hab ein, zwei Vermisstenfälle bearbeitet, wie du vielleicht weißt. Ein-, zweihundert, genauer gesagt. Du hast im Moment alle Hände voll zu tun.«
    Das war ein Schlag unter die Gürtellinie, obgleich nichts an Andersons Tonfall erkennen ließ, dass es seine Absicht gewesen war. »Genau das könnte das Problem sein«, gestand Clevenger.
    »He, du darfst dich nicht immer selbst ...«
    Clevenger war nicht bereit, sich Andersons wohl gemeinteRatschläge anzuhören. »Ruf mich umgehend auf meinem Handy an, sobald du was herausgefunden hast, ja?«
    »Geht klar.«
     
    Billy war schon fast in Burlington, Vermont, als er das Leselicht anknipste, die New York Times aus dem Gepäcknetz vor ihm zog und anfing, den Brief des Highwaykillers zu lesen. Er las von der idyllischen Geburtstagsfeier im Park, dann las er wieder und wieder die Schauergeschichte von seiner Rückkehr nach Hause:
     
    Die Tür unseres Hauses stand offen. Meine gute Laune verflog schlagartig. Mein Vater war daheim. Er stürzte sich auf uns, sobald wir ins Haus traten, versetzte meiner Mutter mit dem Handrücken eine Ohrfeige, die sie zu Boden warf, und schrie sie an, er habe ihr doch gesagt, dass kein Geld für »die Scheißfeier für diesen kleinen Bastard« da sei. Ich stellte mich zwischen die beiden, und er versetzte auch mir einen Schlag mit dem Handrücken. Mein Blickfeld verschwamm. Ich fiel auf den Boden. Ich schmeckte Blut in meinem Mund. Mein Schneidezahn wackelte, wenn meine Zunge dagegen stieß. Herausgerissene Seiten aus meinen Büchern, zerfetzte Gliedmaßen von meinen Stofftieren, meine Matchboxautos regneten auf mich herab. Dann musste ich mit ansehen, wie er jedes einzelne Auto mit dem Absatz seines Schuhs zermalmte.
    Meine Mutter kauerte weinend in der Ecke. Ich wünschte damals, ich wäre älter, größer, stärker, imstande, sie zu verteidigen. Sie hielt einen Finger an ihre wunderschönen Lippen, um mich zu warnen, ich solle still sein, dann warf sie mir eine weitereKusshand zu. Und selbst mit dem Geschmack meines eigenen Blutes im Mund fühlte ich mich sicher und geborgen, ja siegreich über das Ungeheuer, das sich mein Vater nannte.
     
    »Quatsch, du wolltest sie beschützen«, sagte er laut.
    Ein dicker Mann, der auf der anderen Seite des Gangs schlief, regte sich, grunzte und schlief weiter.
    Billy starrte kopfschüttelnd auf die Zeitungsseite. »Und sie hat dir eine Kusshand zugeworfen?«, flüsterte er. »Das glaubst du doch wohl selbst nicht.«
    Er musste sich nicht sonderlich anstrengen, um sich an die Gefühle zu erinnern, die die Prügel in ihm ausgelöst hatten, als er vier Jahre alt war. Seine Mutter war zu Hause gewesen. Aber er hatte zu viel Angst gehabt, um auch nur daran zu denken, sie zu beschützen. Er war vollauf damit beschäftigt gewesen, nicht zu weinen, denn Tränen löschten den Zorn seines Vaters nicht, sie fachten ihn nur noch mehr an. Und seine Mutter warf ihm keine Kusshände zu, während der Riemen seines Vaters ihm die Haut aufriss. Sie schloss sich im Badezimmer ein, damit sie nicht auch den Riemen zu spüren bekam und nicht mit ansehen musste, was ihm geschah.
    Hasste er sie? Nein. Sie war unbedeutend, machtlos, gefangen wie er selbst. Aber sie hatte ihm ganz sicher kein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Jener Teil vom Brief des Highwaykillers war schlicht erstunken und erlogen.
    Die Erinnerungen des Highwaykillers waren Fantasien, vielleicht sogar Wahnvorstellungen. Er war ein Psychopath. Vielleicht glaubte der Kerl tatsächlich, dass es diese Frau gab, seinen Schutzengel, der ihm zärtliche Blicke zuwarf, während ihm die Seele aus dem Leib geprügelt wurde.
    Billy legte seinen Kopf gegen die Rücklehne und schloss die Augen. Und nach ein, zwei Minuten erinnerte er sich anetwas Entscheidendes. Er erinnerte sich, was für Gedanken er selbst gehabt hatte, während sein Vater mit dem Riemen über ihn hergefallen war. Er hatte keine engelsgleiche Mutter herbeifantasiert, die in der Ecke kauerte

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