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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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anders als bei jeder gewöhnlichen Therapie. Man kann eine schwer gestörte Psychopathologie nicht ergründen und zurechtrücken, ohne gelegentlich durchs Fegefeuer zu gehen. Die Frage ist immer, ob man genügend Rückgrat dafür hat. Und vielleicht hast du das einfach nicht.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Du kannst dich nicht für deine Überzeugung stark machen«, setzte Clevenger nach.
    »Doch, das kann ich«, entgegnete sie und klang sehr wie einkleines Mädchen und schien sich sehr zu ärgern, dass ihre Worte so herausgekommen waren.
    Er schüttelte den Kopf. »Tief in deinem Herzen glaubst du nicht, dass du die Erlaubnis hast zu sagen, was du denkst, und deine Meinung zu verteidigen. Du bist nicht sicher, ob das hier wirklich dein Büro ist oder das deines Vaters. Also machst du, was er machen würde – du gehst auf Nummer Sicher.«
    »Das hier ist mein Büro. Und ich möchte, dass du gehst. Auf der Stelle.«
    »Siehst du«, sagte Clevenger. »Das ist Rückgrat. Du musst es nur einfach mal zeigen, wenn etwas Größeres als dein Ego auf dem Spiel steht – Menschenleben zum Beispiel.« Er stand auf und verließ das Büro.
     
    Clevenger war erst nach neunzehn Uhr wieder am Flughafen. Er reservierte sich einen Platz in der nächsten Maschine nach Boston und hörte seinen Anrufbeantworter daheim ab. Da war eine Nachricht von Billy, der ihn wissen lassen wollte, dass er sich recht gut im North Shore Medical Center eingelebt habe, und sich dafür bedankte, dass Clevenger ihn dorthin gebracht hatte. Er klang ganz munter, was Clevenger wieder etwas aufbaute. Doch die nächste Nachricht versetzte ihm den endgültigen Tiefschlag.
    »Dr. Clevenger«, sagte eine Frauenstimme, »Carla Diario vom Jugendamt hier. Ich rufe an, um zu fragen, wann wir uns treffen können. Es geht um ein Gespräch, das ich heute Nachmittag mit einem von Billys Betreuern in der Entzugsklinik geführt habe. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich schnellstmöglich zurückrufen würden.«
    Das Jugendamt rief niemals mit guten Nachrichten an. Clevenger wählte die Nummer vom North Shore Medical Center und ließ sich zu Billys Zimmer durchstellen. »Wie fühlst du dich, Kumpel?«, fragte er.
    »Als sei ich von einem Laster überfahren worden«, sagte Billy »Sie halten sich hier während des Entzugs sehr mit Medikamenten zurück.«
    »Es ist nicht leicht, aber es lohnt sich. Halt durch.«
    »Werd ich«, versprach Billy »Und wie geht’s dir?«
    »Ich bin auf dem Heimweg.« Er hielt kurz inne. »Ich hab gehört, du hattest heute ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter.«
    »Irgend so ‘ne Frau ist vorbeigekommen.«
    »Hat Sie dich nach unserer Beziehung gefragt?«
    »Klar. Ich hab ihr erzählt, wir seien total dicke Freunde. Dicker als je zuvor. Wir würden sogar gelegentlich zusammenarbeiten.«
    Clevenger fühlte, wie sich ihm die Brust zusammenschnürte. »Hast du den Highwaykiller erwähnt?«
    »Sie hat danach gefragt. Ich hab ihr nur erzählt, dass ich ein paar Bücher dazu gelesen habe und versuche, ein bisschen zu helfen.« Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Hätte ich ihr das nicht erzählen sollen?«
    Clevenger wollte Billy keine weiteren Sorgen aufhalsen. »Ist schon in Ordnung. Ich glaube, das Jugendamt hat da möglicherweise ein paar Fragen an mich, aber es ist nichts, womit ich nicht fertig werde.«
    »Ich hätte meine Klappe halten sollen.«
    »Es ist kein Problem«, versicherte ihm Clevenger. »Ehrlich.« Er machte eine kurze Pause. »Wie stehen sie in der Klinik zu Besuch?«
    »Keiner während der ersten drei Tage«, sagte Billy
    »Dann rufe ich dich morgen an.«
    »Danke.«
    »Ich hab dich gern, Kumpel.«
    »Ich hab dich auch gern.«
    Clevenger legte auf.
     
    Die Passagiere seines Flugs gingen inzwischen an Bord. Clevenger reihte sich in die Schlange ein. Er hatte fast die Pforte erreicht, als er Whitney McCormick seinen Namen rufen hörte. Er drehte sich um und sah sie auf sich zukommen.
    Sie trat zu ihm. »Wir dürfen es nicht so enden lassen«, sagte sie.
    »Das mit uns oder die Arbeit an dem Fall?«, fragte Clevenger.
    »Das mit uns«, antwortete sie. »Bleib heute Nacht hier. Wir müssen nicht über den Fall reden.«
    Clevenger sah in ihre Augen. Sie waren strahlend und wunderschön, und es brannte ein unverkennbares Verlangen in ihrem Blick, den er zum ersten Mal als den Blick eines Süchtigen erkannte, vergleichbar dem Blick in seinen eigenen Augen, als er noch Drogen nachgejagt war. McCormick brauchte ihn, wie jemand

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