Psychopathen
also nicht nur ein Talent für Doppelzüngigkeit. Sie empfinden auch das »moralische Zwicken« viel weniger als der Rest von uns. Was nicht immer das Schlechteste ist, wenn es hart auf hart kommt und schnell Entscheidungen getroffen werden müssen.
Einen kühlen Kopf bewahren
Natürlich profitieren nicht nur Lügner von einem mangelnden Moralempfinden. »Moralisch Behinderte« sind überall anzutreffen – nicht nur in Casinos und Gerichtssälen. Dies zeigt uns der folgende Dialog aus ›Wir sind alle verdammt‹, einem Film von 1962:
Lieutenant Lynch
: Und was ist mit Rickson? Wir wissen nie, welche riskante Nummer er als Nächstes abzieht. Können wir uns einen solchen Piloten leisten? Können wir es uns leisten, ihn nicht zu haben? Wie denken Sie darüber, Doc?
Captain Woodman:
Rickson ist ein Beispiel für die feine Grenzlinie zwischen einem Helden und einem Psychopathen.
Lieutenant Lynch
: Und auf welcher Seite der Grenzlinie ordnen Sie Rickson ein?
Captain Woodman:
Die Zukunft wird es zeigen. Ich denke, wir gehen ein Risiko ein – aber so ist der Krieg nun mal.
In diesem Film
,
der während des Zweiten Weltkriegs spielt, begegnen wir Buzz Rickson, einem arroganten, unerschrockenen B-17-Piloten, dessen Talent für Luftkämpfe das perfekte Ventil für seine skrupellose, amoralische dunkle Seite darstellt. Als eine Bombardierung wegen ungünstiger Wetterbedingungen abgebrochen wird, missachtet Rickson – von seiner Mannschaft oft für seine waghalsigen Flugmanöver gefeiert – den Befehl, umzukehren, und macht einen Sturzflug durch die Wolkendecke hindurch, um seine tödliche Last abzuwerfen. Ein anderer der Bomberpiloten schafft es nicht, zum Stützpunkt zurückzukehren.
Rickson kann seine elementaren raubtierhaften Instinkte im Krieg so richtig ausleben. Als sein Kommandeur ihn zum Abwurf von Propagandaflugblättern, einem Routineeinsatz, einteilt, verlässt er aus Protest das Flugfeld und gibt damit Anlass zu obigem Dialog zwischen seinem Navigator und dem Fliegerarzt.
Es ist eine feine Grenzlinie zwischen Held und Psychopath, wie Captain Woodman sagt. Und oft hängt es davon ab, wer die Linie zieht.
Menschen wie Rickson existieren nicht nur in Filmen. Alle Soldaten der Spezialeinheit, die ich bisher getestet habe, erreichten beim PPI eine hohe Punktzahl. Was angesichts einiger ihrer Aufträge nicht weiter verwundert. Einer von ihnen sagte mit dem typischen Understatement: »Die Jungs, die Bin Laden getötet haben, waren nicht zum Paintball-Spielen unterwegs ...«
Diese Art von Kaltblütigkeit und Konzentration unter Druck illustriert eine Studie, die der Psychologe und Neurowissenschaftler Adrian Raine zusammen mit seinen Kollegen an der University of Southern California in Los Angeles durchführte. Raine verglich die Leistung von Psychopathen und Nicht-Psychopathen bei einer einfachen Lernaufgabe 84 und stellte Folgendesfest: Wurden Fehler durch einen Stromschlag bestraft, gelang es den Nicht-Psychopathen schneller als den Psychopathen, die Regel zur Lösung der Aufgabe zu entdecken. Wurde Erfolg jedoch mit finanziellem Gewinn sowie dem Fehlen von Stromschlägen belohnt, kehrten sich die Rollen um. Diesmal erfassten die Psychopathen die Regel schneller.
Die Sache ist ziemlich eindeutig. Wenn Psychopathen von einer Situation profitieren können, wenn es irgendeine Art von Belohnung gibt, dann legen sie sich ins Zeug: ohne Rücksicht auf Risiken oder mögliche negative Folgen. Sie bewahren angesichts von Gefahren oder Widrigkeiten nicht nur die Fassung, sie entwickeln auch auf den Punkt genau die Fähigkeit, zu »tun, was immer nötig ist«.
Forscher der Vanderbilt University haben noch ein bisschen tiefer gegraben und untersucht, wie der raubtierhafte Fokus der Psychopathen sich in ihren Gehirnen widerspiegeln könnte. 85 Ihre Entdeckung wirft ein ganz anderes Licht darauf, wie es sich anfühlen könnte, ein Psychopath zu sein, und eröffnet damit eine völlig neue Sichtweise dessen, was in ihnen vorgeht. Im ersten Teil der Studie wurden die Probanden abhängig davon, ob sie ein hohes oder ein niedriges Maß an psychopathischen Merkmalen aufwiesen, in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Forscher verabreichten dann beiden Gruppen eine Dosis Speed (auch bekannt als Amphetamin) und überprüften mithilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) [27] das Gehirn der Probanden, um zu sehen, was sich dort abspielte.
»Unsere Hypothese war die, dass [einige] psychopathische Merkmale [Impulsivität,
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