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Psychopathen

Psychopathen

Titel: Psychopathen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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– wie die großen Trickbetrüger dieser Welt – an der Gesellschaft schadlos halten, was in Kombination mit dem Talent, andere zu betrügen, verheerend sein kann.
    Nehmen wir z. B. Greg Morant. Er ist nicht nur einer der erfolgreichsten Trickbetrüger der USA, sondern gehört auch zu den fünf charmantesten und skrupellosesten Psychopathen, die kennenzulernen ich je das Vergnügen hatte. Ich traf ihn in der Bar eines Fünf-Sterne-Hotels in New Orleans. 75 Erst
nachdem
er die Drinks gekauft hatte, ein Flasche Cristal-Champagner für 400 Dollar, gab er mir meine Brieftasche zurück. »Eines der wichtigsten Dinge, über die ein Trickbetrüger verfügen muss, ist ein guter ... Radar für ›Schwachstellen‹«, erklärte Morant, ein Kommentar, der an die Arbeit der Psychologin Angela Book erinnert. (Wie in Kapitel 1 dargelegt, fand Book heraus, dass Psychopathen die Opfer eines vorhergehenden gewalttätigen Angriffs besser erkannten als die Nicht-Psychopathen, und zwar einfach an der Art ihres Gangs.) »Die meisten Leute, auf diedu stößt, passen nicht auf, was sie sagen, wenn sie mit dir reden. Aber ein Trickbetrüger achtet auf alles ... Wie bei einer Therapie, wo man versucht, in die Person hineinzuschauen, anhand der kleinen Dinge herauszufinden, wer sie ist. Und es sind immer die kleinen Dinge. Der Teufel steckt im Detail ... Du musst die Leute dazu bringen, sich zu öffnen. Normalerweise, indem du ihnen zuerst etwas über dich selbst erzählst – ein guter Trickbetrüger hat immer eine Geschichte. Und indem du, wenn sie dann von sich erzählen, plötzlich das Thema wechselst. Willkürlich. Abrupt. Es kann alles sein – irgendein Gedanke, der dir gerade durch den Kopf geschossen ist oder was auch immer ... irgendetwas, um den Redefluss zu unterbrechen. In neun von zehn Fällen vergisst der Betroffene völlig, was er gerade gesagt hat.
    Dann kannst du dich an die Arbeit machen – nicht sofort, du musst Geduld haben. Aber ein oder zwei Monate später. Du änderst das, was die Leute dir gesagt haben, einfach ein bisschen ab – du weißt in der Regel sofort, wo die Druckpunkte sind –, und erzählst ihnen die Geschichte dann, als wäre es deine eigene. Bumm! Von diesem Moment an kannst du dir so ziemlich alles nehmen, was du willst.
    Ich geb dir ein Beispiel ... [ein Typ ist] reich, erfolgreich, schuftet wie ein Tier ... Als Kind kommt er von der Schule nach Hause und stellt fest, dass seine Plattensammlung weg ist. Sein Dad ist ein Arsch und hat sie verkauft, um seine Hausbar aufzufüllen. Der Typ hat die Platten jahrelang gesammelt.
    Moment mal, denke ich. Du erzählst mir das nach nur drei oder vier Stunden in einer Bar? Was geht denn hier ab? Dann begreife ich’s. Deswegen schuftest du also wie ein Irrer, denke ich. Wegen deinem Dad. Du hast Angst. Dein Leben liegt schon all die Jahre auf Eis. Du bist kein CEO. Du bist ein verängstigtes kleines Kind. Das Kind, das eines Tages von der Schule nach Hause kommt und feststellt, dass die Plattensammlung Geschichte ist.
    Meine Güte!, denke ich. Das ist komisch. Und weißt du, was?Ein paar Wochen später erzähle ich ihm, was
mir
passiert ist. Wie ich eines Abends nach Hause komme und meine Frau mit dem Chef im Bett finde. Wie
sie
die Scheidung einreicht. Und wie sie
mir
die Taschen leert.«
    Morant hält inne und schenkt uns noch ein wenig Champagner ein.
    »Totaler Schwachsinn!« Er lacht. »Aber weißt du, was? Ich habe diesem Typen einen Gefallen getan. Hab ihn aus seinem Elend befreit. Wie heißt es so schön – die beste Art, deine Ängste zu überwinden, ist die, sich ihnen zu stellen? Na ja, jemand musste den Daddy spielen.«
    Bei Morants Worten läuft es einem kalt den Rücken herunter. Umso mehr, wenn man sie direkt aus seinem Mund hört. Ich erinnere mich noch genau an unser Treffen in New Orleans. Und wie ich mich damals gefühlt habe. Ich fühlte mich verwundbar, war gleichzeitig aber gefesselt. War begeistert und hatte doch Angst – ganz wie die Kliniker und in der Strafjustiz Tätigen, die Reid Meloy interviewt hatte (siehe Kapitel 1). Morants Stil und seine Millionen konnten mich nicht darüber hinwegtäuschen, mit welcher Art von Mensch ich es zu tun hatte. Hier saß, in seiner ganzen Herrlichkeit, ein Psychopath vor mir. Ein raubtierhaftes soziales Chamäleon. Während der Champagner floss und seine Rolex die letzten Sonnenstrahlen einfing, kolonisierte er mein Gehirn, Synapse für Synapse, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten. Und ohne

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