Psychopathen
psychopathische Straftäter überzeugender wirkten als nicht-psychopathische Straftäter, wenn es darum ging, Reue zu zeigen. 80 Was gelinde gesagt seltsam ist, weil Reue etwas ist, das Psychopathen nicht empfinden können. Doch ein schneller Blick auf den Kontext dieser Beobachtungen – im Gericht kurz vor der Urteilsverkündung, bei Gericht, um Berufung einzulegen, und gegenüber Psychologen und der Gefängnisleitung bei Anhörungen des Bewährungsausschusses – weckte den Argwohn des Psychologen Stephen Porter. Das Problem war eines der »affektiven Authentizität«. Waren die Psychopathen einfach besser darin, Reue vorzutäuschen?, fragte er sich. 81
Porter und seine Kollegen entwarfen ein geniales Experiment. Die Probanden mussten auf eine Reihe von Bildern, die unterschiedliche Gefühle auslösen, je nach Anweisung entweder mit einer echten oder mit einer gespielten Gefühlsregung reagieren. Die Sache hatte noch einen Dreh. Während die Teilnehmer sich die emotionsgeladenen Bilder ansahen, nahm Porter sie mit einer Geschwindigkeit von 30 Frames pro Sekunde auf Video auf und untersuchte dann Frame für Frame. Das ermöglichte es ihm, die gespielten Gefühlsregungen auf das Aufflackern von sogenannten »Mikro-Ausdrücken« zu untersuchen: flüchtigen Manifestationen wahrer, unverfälschter Gefühle (siehe Abbildung 4.1), die in Echtzeit für die meisten Menschen mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind.
Porter wollte herausfinden, ob Probanden mit einem höheren Grad an Psychopathie die wahre Natur ihrer Gefühle besser verbergen könnten als Probanden, bei denen die psychopathischen Merkmale weniger stark ausgeprägt waren.
Die Antwort war ein eindeutiges Ja. Die Anwesenheit (oder Abwesenheit) psychopathischer Merkmale war ausschlaggebend für den Grad an Unstimmigkeit bei den gespielten Gefühlsäußerungen. Die Psychopathen täuschten viel überzeugender als die Nicht-Psychopathen Traurigkeit vor, wenn ihnen ein fröhliches Bild gezeigt wurde, oder Fröhlichkeit, wenn sie ein trauriges Bild betrachteten. [24] Und nicht nur das, sie waren darin so gut wie Probanden, die eine hohe Punktzahl bei emotionaler Intelligenz erzielt hatten.
Wenn man Ehrlichkeit vortäuschen kann, wie jemand einst sagte ... nun, dann ist man, so scheint es,
tatsächlich
ein gemachter Mann.
Der Neuropsychologe Ahmed Karim ist noch einen Schritt weitergegangen – und kann mithilfe von elektromagnetischer Magie die Karrierechancen von Betrügern und Geheimagenten beträchtlich verbessern. Karim und sein Team von der Universität Tübingen können Sie zu einem besseren Lügner machen. 82 Im Rahmen eines Experiments, bei dem Probanden im Rollenspiel Geld aus einem Büro stehlen mussten und dann von einem Forscher, der einen Kriminalbeamten spielte, einem Verhör unterzogen wurden (als Anreiz, den Beamten zu täuschen, durften die vermeintlichen »Diebe« das Geld behalten, wenn sie erfolgreich waren), entdeckte Karim, dass die Anwendung einer als transkranielle Magnetstimulation (TMS) [25] bekannten Technik auf den anterioren präfrontalen Kortex, das heißt auf den Bereich des Gehirns, der an der moralischen Entscheidungsfindung beteiligt ist, den Lügenquotienten der Probanden erhöhte.
Bild A, Bild B, Bild C
Abb. 4.1. Bild A zeigt ein echtes Lächeln, Bild C hingegen ein falsches, in dem Traurigkeit mitschwingt (Senken von Augenbrauen und Augenlidern sowie Herunterziehen der Mundwinkel). Bild B zeigt einen neutralen Gesichtsausdruck. Schon winzige – und flüchtige – Veränderungen wie diese können das gesamte Gesicht verwandeln.
Warum dies der Fall ist, lässt sich nicht genau sagen. Eine Möglichkeit wäre, dass die durch TMS induzierte Inhibition des anterioren präfrontalen Kortex zur Errichtung einer neuronalen Flugverbotszone über dem Gewissen führt, die dem Lügner die Ablenkungen eines moralischen Konflikts erspart.
Eine solche Hypothese stünde, insofern sie korrekt ist, im Einklang mit der Forschung zu Psychopathen. Aus früheren Studien wissen wir z. B., dass Psychopathen weniger graue Substanz im anterioren präfrontalen Kortex haben – und eine in jüngerer Zeit von Michael Craig und seinen Mitarbeitern am Institute of Psychiatry in London durchgeführte Analyse mithilfe der Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) [26] zeigte aucheine verminderte Integrität des Fasciculus uncinatus, einer Art neuronalen Aquädukts, der den präfrontalen Kortex mit der Amygdala verbindet. 83
Psychopathen haben mit anderen Worten
Weitere Kostenlose Bücher