Psychose: Thriller (German Edition)
versprochen, aber ich habe wirklich nicht geglaubt, dass ich Sie noch einmal wiedersehen würde. Ich muss mich entschuldigen …«
»Nein, hören Sie zu: Es ist mir heute nicht gelungen, meine Brieftasche wiederzubekommen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht zurückgekommen sind, um Ihr Zimmer für letzte Nacht zu bezahlen? Wie Sie es mir gestern mehrfach versprochen haben?«
Ethan schloss die Augen und atmete trotz der zunehmenden Schmerzen tief ein.
»Lisa, Sie können sich nicht vorstellen, was ich heute durchgemacht habe. Ich muss mich einfach für ein paar Stunden hinlegen. Ich brauche das Zimmer nicht mal für die ganze Nacht. Ich brauche nur einen Ort, an dem ich den Kopf freibekommen und ein wenig schlafen kann. Ich habe solche Schmerzen.«
»Augenblick mal.« Sie rutschte von ihrem Stuhl herunter und beugte sich vor. »Sie können immer noch nicht bezahlen und bitten trotzdem wieder um ein Zimmer?«
»Ich kann nirgendwo anders hin.«
»Sie haben mich angelogen.«
»Es tut mir leid. Ich habe wirklich geglaubt, ich könnte heute …«
»Ist Ihnen klar, dass ich mir für Sie ein Bein ausgerissen habe? Dass ich deswegen meinen Job verlieren könnte?«
»Es tut mir leid. Ich wollte wirklich nicht …«
»Verschwinden Sie.«
»Wie bitte?«
»Haben Sie mich nicht verstanden?«
»Ich kann nirgendwo hin, Lisa. Ich habe kein Handy. Ich habe kein Geld. Ich habe seit gestern Abend nichts mehr gegessen und …«
»Erklären Sie mir noch mal, warum das mein Problem ist.«
»Ich möchte mich doch nur einige Stunden hinlegen. Ich flehe Sie an.«
»Ich habe es Ihnen so gut wie möglich erklärt. Es wird Zeit, dass Sie verschwinden.«
Ethan stand reglos da. Er starrte sie einfach an und hoffte, dass sie den Schmerz in seinen Augen erkennen und Mitleid haben würde.
»Jetzt«, fügte sie hinzu.
Als er an der Tür war, rief ihm Lisa nach: »Und ich möchte Sie hier nie wiedersehen.«
Ethan wäre beinahe die Treppe hinuntergefallen, und als er auf dem Bürgersteig stand, drehte sich um ihn herum alles. Die Straßenlaternen und die Lichter der vorbeifahrenden Autos wirbelten um ihn herum und Ethan spürte, wie seine Beine immer schwächer wurden, als hätte jemand einen Stecker rausgezogen.
Trotzdem ging er über den Bürgersteig und sah zu dem Gebäude aus rotem Sandstein hinüber, das in acht Blocks Entfernung aufragte. Er fürchtete sich noch immer davor, aber er musste ins Krankenhaus. Er wollte ein Bett, den Schlaf, die Medizin. Alles, was den Schmerz unterdrückte.
Er konnte entweder ins Krankenhaus gehen oder im Freien schlafen – in einer Gasse oder einem Park, den Elementen ausgesetzt.
Doch es waren acht Blocks, eine riesige Entfernung, jeder Schritt bedeutete einen immensen Kraftaufwand und die Lichter in seiner Umgebung schienen sich aufzulösen, sie wirkten intensiver, direkter, schienen sein Sichtfeld zu verschieben, als würde er die Welt nur als ein mit langer Belichtungszeit geschossenes Foto einer Stadt bei Nacht sehen, bei dem sich die Lichter der Autos in leuchtende Stangen verwandelten und die Straßenlaternen aussahen wie Lötbrenner.
Er rempelte jemanden an.
Ein Mann stieß ihn weg und sagte: »Fahren Sie auch so Auto?«
An der nächsten Kreuzung blieb Ethan stehen, weil er nicht wusste, ob er es über die Straße schaffen würde.
Taumelnd stolperte er nach hinten und ließ sich mit dem Rücken an einer Gebäudewand auf den Boden sinken.
Auf der Straße war ziemlich viel los, aber er konnte nichts richtig erkennen und hörte nur Schritte, die neben ihm über den Asphalt hasteten, und Bruchstücke der Unterhaltung von Passanten.
Er verlor jedes Zeitgefühl.
Er kam sich vor, als würde er träumen.
Dann lag er auf der Seite auf dem kalten Beton, spürte den Atem eines anderen Menschen und hörte dessen Stimme direkt neben sich.
Da waren Worte, aber er konnte keinen Sinn in das Gesagte bringen.
Er öffnete die Augen.
Es war Nacht geworden.
Er zitterte.
Eine Frau kniete neben ihm und er spürte ihre Hände an seinen Schultern. Sie schüttelte ihn und redete mit ihm.
»Sir, ist alles in Ordnung? Können Sie mich hören? Sir? Können Sie mich ansehen und mir sagen, was mit Ihnen los ist?«
»Er ist betrunken.« Die Stimme eines Mannes.
»Nein, Harold, er ist krank.«
Ethan versuchte, sich auf ihr Gesicht zu konzentrieren, aber es war dunkel und verschwommen, und er sah nichts als die Straßenlaternen, die wie kleine Sonnen über der Straße schwebten, und hin
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