Psychose: Thriller (German Edition)
und kühl.
Diese Bäume … Er hatte noch nie so hohe Pinien gesehen, und da es kaum Unterholz gab, konnte er sich problemlos zwischen den gewaltigen Stämmen bewegen – ein Wald mit viel Bewegungsfreiheit. Hier konnte man sich schnell verlaufen.
Der Nebel blieb hinter ihm zurück und als er zum Himmel sah, konnte er zwischen den Baumwipfeln einige Sterne sehen.
Nach weiteren fünfzig Metern blieb er stehen. Er sollte zurückgehen. Es führten sicherlich noch andere Straßen aus der Stadt und er spürte bereits, dass er die Orientierung verlor. Als er nach hinten sah, wusste er noch ungefähr, woher er gekommen war, war sich aber nicht mehr ganz sicher. Alles sah gleich aus.
Dann im Wald vor ihm: ein Schrei.
Er blieb reglos stehen.
Er hörte nur das Pochen seines Herzens, sonst nichts.
Der Schrei hatte sich angehört, als würde er von einem leidenden oder verängstigten Menschen stammen. Oder von einer Hyäne oder einer Todesfee. Verrückten Kojoten. Der mythologisierte Schrei eines Rebellen. Hoch und dünn. Zerbrechlich. Schrecklich. Und auf irgendeiner Ebene – wie Stromkabel, summend unter der Oberfläche verborgen – wusste er irgendwie, dass er diesen Schrei nicht zum ersten Mal gehört hatte.
Da war er wieder.
Näher.
Zwischen seinen Augen und in seinem Magen ging der Alarm los: Verschwinde sofort von hier. Denk nicht darüber nach. Hau einfach ab.
Dann lief er auch schon zwischen den Bäumen hindurch, keuchte nach zwanzig Schritten, rannte zurück in den Nebel und die Kälte.
Vor ihm ging es aufwärts und er kletterte auf Händen und Knien, bis er die Straße wieder erreicht hatte. Trotz der Kälte schwitzte er und seine Augen brannten. Er rannte am doppelten gelben Mittelstreifen entlang, zurück durch die Kurve, bis er in der Ferne die beiden Lichtkegel sah, die den Nebel durchbohrten.
Er wurde langsamer und konnte trotz seines Keuchens das Geräusch des parkenden, gestohlenen Wagens hören.
Als er den Wagen erreicht hatte, riss er die Fahrertür auf. Er stieg ein, drückte den Fuß auf das Gaspedal und griff nach der Gangschaltung, weil er nur noch von diesem verfluchten Ort wegwollte.
Aus dem Augenwinkel sah er zu seiner Linken eine Bewegung – einen Schatten im Seitenspiegel. Sein Blick wanderte zum Rückspiegel und im roten Leuchten der Bremslichter sah er, was ihm zuvor entgangen war: einen Wagen, der zehn Meter hinter seinem parkte und im Nebel fast nicht mehr zu sehen war.
Dann sah er durch das Fenster auf der Beifahrerseite und blickte in den Lauf einer Schrotflinte. Eine Taschenlampe wurde eingeschaltet und tauchte den Innenraum des Wagens in gleißendes Licht, das vom Chrom und Glas reflektiert wurde.
»Sie sind wohl von allen gottverdammten Geistern verlassen.«
Sheriff Pope.
Das zornige Knurren in seiner Stimme wurde durch das Glas nur leicht gedämpft.
Ethan hatte die Hand noch auf dem Schalthebel und überlegte, ob er auf »Fahren« schalten und Gas geben sollte. Würde Pope dann auf ihn schießen? Aus dieser Entfernung und mit dieser Waffe käme das einer Enthauptung gleich.
»Ganz ruhig«, sagte Pope. »Legen Sie beide Hände aufs Lenkrad und schalten Sie dann mit der Rechten den Wagen aus.«
»Sie wissen, wer ich bin«, sagte Ethan durch die Scheibe hindurch, »und Sie sollten auch wissen, dass Sie sich nicht einmischen sollten. Ich werde von hier verschwinden.«
»Den Teufel werden Sie tun.«
»Ich bin Agent der Regierung der Vereinigten Staaten und habe das Recht …«
»Nein, Sie sind ein Kerl ohne Ausweis, ohne Dienstmarke, der gerade einen Wagen gestohlen und vielleicht einen Bundesagenten ermordet hat.«
»Was reden Sie denn da?«
»Ich werde es nicht noch einmal sagen, Partner.«
Etwas riet Ethan dazu, sich zu fügen, und flüsterte ihm zu, dass dieser Mann gefährlich werden konnte. Vielleicht sogar tödlich.
»Okay«, erwiderte Ethan. »Aber geben Sie mir einen Moment. Ich habe den Wagen kurzgeschlossen und muss die Drähte voneinander trennen, um ihn auszuschalten.«
Ethan schaltete die Innenbeleuchtung ein, schob die Hände unter die Lenksäule und zog die weißen Drähte auseinander.
Das Licht ging aus.
Der Motor erstarb.
Da war nur noch das schmerzhaft helle Licht von Popes Taschenlampe.
»Aussteigen!«
Ethan fand den Türgriff, musste aber mit der Schulter gegen die Tür drücken, um sie zu öffnen. Er stieg aus. Nebelschwaden strichen durch den Lichtstrahl. Pope war ein wütender Schatten hinter der Taschenlampe und der
Weitere Kostenlose Bücher